Fieber an Bord
gefallen, und alle würden sie lieben, wie sie seine Mutter geliebt hatten und die anderen Kapitänsfrauen, die auf der Bastion über der Steilküste spazierengingen und Ausschau nach den Schiffen ihrer Männer hielten; manche vergeblich.
Doch weil er die gebotene Vorsicht außer acht gelassen hatte, hatte er die einzige Person verraten, die er wirklich liebte. Dadurch hatte er den Haß und den Neid Raymonds geschürt, der jetzt alles aufs Spiel setzen würde, selbst das Leben von Viola.
»Ich würde gern auf mein Schiff zurückkehren, Sir.«
Sayer musterte ihn. »Ja. Ich gebe Ihnen Nachricht, wenn ich etwas erfahre. Man sucht noch nach Leuten für die Eurotas, und Sie werden einen Offizier stellen müssen, der das Kommando übernimmt.« Nachdrücklich wiederholte er: »Einen Offizier, Richard. Si e müssen auf Ihrem Schiff bleiben. Sobald auf den Levu-Inseln alles eingerichtet ist, wird die Eurota s als Versorgungsschiff dienen. Sie kann ruhig einem jüngeren Offizier überlassen werden, bis ich weiteren Ersatz schicken kann. Doch Sie werden tun, was Sie für richtig halten, sobald der Handelsplatz gesichert ist.« Bolitho streckte die Hand aus. »Danke, Sir, für etwas, das Sie gewiß ungern getan haben. Ich kenne viele, die es knapp und schroff erledigt hätten.«
Sayer lächelte. »Das ist wohl wahr. Aber merken Sie sich, was ich gesagt habe. Ich kann Sie nicht retten, wenn Sie Raymond herausfordern. Er ist der Typ, der schon nach einem Sündenbock sucht, noch ehe er etwas unternimmt. Ich habe nicht die Absicht, mir diese Rolle zuschanzen zu lassen, und wünsche auch nicht, Sie in ihr zu sehen.«
Bolitho ging an Deck und salutierte vor der Flagge und dem Kommandanten der Hebrus.
Ein Kanonenschuß dröhnte dumpf in der Ferne, und der andere Kapitän sagte: »Das war für Ihre beiden Gefangenen.
Hier draußen vergeudet man nicht viel Zeit an Prozesse.« Noch hallte das Echo des Kanonenschusses über den Hafen, als Bolitho in die Gig hinunterkletterte, wo Allday ihn mit erwartungsvollem Gesicht empfing.
Bolitho sah an ihm vorbei zu der sich drängenden Menschenmenge, die gekommen war, um zwei Männer hängen zu sehen. Irgendwo dort war sie.
»Zur Pier, Captain?«
»Nein, Allday. An Bord.«
»Ablegen«, bellte Allday. Etwas mußte schiefgegangen sein.
»Riemen bei! Rudert an!«
Er schützte die Augen mit der Hand und sah zu dem vor Anker liegenden Handelsschiff hinüber, dachte an das wilde Geschrei des Handgemenges und das hemmungslose Töten. Dann blickte er auf Bolithos Schultern hinab, bemerkte, wie er den Griff seines alten Degens umklammerte.
Allday hatte es einmal dankbar begrüßt, als Viola Raymond und Bolitho voneinander getrennt wurden. Er hatte geahnt, daß Böses geschehen konnte. Doch Allday glaubte auch daran, daß man eine einmal begonnene Sache bis zum Ende durchstehen mußte. Er wollte darüber nachdenken, hier und dort ein gutes Wort einlegen, wenn er die Chance bekam. Bolitho beobachtete das Heben und Senken der Riemen, die starren, nichtssagenden Gesichter der bezopften Matrosen. Sie alle schienen Bescheid zu wissen. Manche würden hämisch reagieren, andere mitfühlend. Alle aber würde interessieren, was als nächstes geschah.
Er hörte das Knarren der Pinne, als Allday hinter dem Heck eines holländischen Handelsschoners vorbeisteuerte.
Vor allem er, dachte er. Er konnte Alldays Verstand beinahe arbeiten hören. Seine ganze Anhänglichkeit, sein Mut und seine Unverfrorenheit, konnten ihm diesmal nicht helfen.
Er sah das Begrüßungskommando bei der Einstiegspforte der Tempes t antreten: das Blau und Weiß der Offiziere, das Scharlach der Seesoldaten Prudeauxs, angetreten zum Empfang des Kommandanten.
Er reckte die Schultern und blickte zu dem Schiff auf. Begleitschutz. Das war kein besonderer Auftrag, aber besser als nichts. Und ihm blieb immer noch die Hoffnung. Seine Entschlossenheit war stärker als je – ganz wie die Alldays.
Die Narval
Leutnant Thomas Herrick schlürfte siedend heißen, bitteren Kaffee und sah Bolitho zu, der sich neben einer Seekarte Notizen machte.
Vor einer Woche waren sie wieder ausgelaufen, und Herrick war froh, wieder auf See zu sein und etwas zu tun, worauf er sich verstand. Sechs Tage lang hatten sie vor Anker gelegen, und es war schmerzlich gewesen zu beobachten, wie Bolitho sich bemühte, seine Sorgen zu verbergen, seinen Kummer für sich zu behalten, wenn er zu der verankerten Eurotas und der dahinterliegenden Stadt
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