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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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so viele Dinge. Ihre eigenen Leute sind so ängstlich und abergläubisch und voller Haß, daher muß meine Rasse sich vorerst versteckt halten. Ich habe gesehen, wie Ihre Leute sich gegenseitig bekämpften, habe von Vlad Tepes gelesen - übrigens, der war keiner von uns - , von ihm und Gaius Caligula und anderen Königen, ich habe gesehen, wie Ihre Rasse alte Frauen verbrannt hat auf Grund des Verdachtes, daß sie zu uns gehörten, und hier in New Orleans habe ich miterlebt, wie Ihre Rasse ihresgleichen versklavt, sie auspeitscht und wie Vieh verkauft, nur weil ihre Haut dunkler ist. Die farbigen Menschen stehen Ihnen allen viel näher, als meine Rasse es je zu schaffen vermag. Sie könnte sogar mit ihren Frauen Kinder bekommen, während zwischen den Völkern des Tages und der Nacht eine solche Kreuzung nicht möglich ist. Nein, wir müssen uns vor Ihrem Volk verstecken, und zwar wegen unserer Sicherheit. Aber, vom roten Durst befreit, hoffe ich, daß wir uns irgendwann den Weitsichtigen unter Ihnen offenbaren können, den Männern der Wissenschaft und des Wissens, Ihren Anführern. Wir können uns gegenseitig in so vielen Dingen helfen, Abner! Wir können Sie Ihre eigene Geschichte lehren, und von uns könnten Sie vielleicht lernen, wie man sich selbst heilen und dadurch länger leben kann. Was uns betrifft, so haben wir gerade erst angefangen. Ich habe den roten Durst besiegt, und ich träume davon, daß es mir mit fremder Hilfe eines Tages gelingt, auch die Sonne zu überwinden, damit wir bei Tag umherreisen können. Ihre Ärzte und Medizinkundigen könnten unseren Frauen bei der Kindesgeburt behilflich sein, so daß die Vermehrung nicht gleichzeitig auch den Tod bedeutet.
    Dem, was meine Rasse schaffen und erreichen kann, ist keine Grenze gesetzt. Als ich Simon zuhörte, erkannte ich, daß ich uns zu einem der bedeutendsten Völker der Erde machen könnte. Aber zuerst mußte ich meine Rasse finden, ehe ich damit beginnen konnte.
    Die Aufgabe war nicht einfach. Simon erzählte, daß es in seiner Jugend fast tausend von uns gegeben hatte, verstreut über ganz Europa vom Ural bis nach Britannien. Legenden erzählten, daß einige von uns in den Süden nach Afrika oder nach Osten in die Mongolei und nach Kathai gezogen sind, aber niemand hatte einen Beweis für diese Trecks. Von den tausend, die in Europa gelebt hatten, waren die meisten in Kriegen oder Hexenprozessen umgekommen, oder sie waren gejagt und zur Strecke gebracht worden, nachdem sie sich unvorsichtig verhalten hatten. Etwa einhundert von uns seien noch übrig, schätzte Simon, vielleicht weniger. Geburten hatte es nur wenige gegeben. Und diejenigen, die überlebt hatten, waren verstreut und versteckten sich.
    So begannen wir eine Suche, die etwa zehn Jahre in Anspruch nahm. Ich will Sie nicht mit allen Einzelheiten langweilen. In einer Kirche in Rußland fanden wir die Bücher, die Sie in meiner Kabine bereits gesehen haben, die einzige bekannte Literatur aus der Hand eines Angehörigen meiner Rasse. Ich übersetzte sie nach und nach und las die traurige Geschichte von einer Gemeinschaft von fünfzig Angehörigen unseres Blutes, von ihrem Leid, ihren Wanderungen, ihren Schlachten, ihrem Tod. Sie waren alle verschwunden, die letzten drei waren Jahrhunderte vor meiner Geburt gekreuzigt und verbrannt worden. In Transsylvanien fanden wir die ausgebrannte Hülle eine Bergfestung und in den Höhlen darunter die Knochenreste von zwei Angehörigen meiner Rasse. Vermoderte Holzpfähle ragten aus ihren Brustkörben heraus, ihre Schädel steckten auf Stangen. Ich erfuhr eine ganze Menge bei der Untersuchung dieser Knochen, aber wir hatten keine Überlebenden. In Triest fanden wir eine Familie, die niemals bei Tag ausging und über die man sich zuraunte, daß alle Mitglieder seltsam bleich wären. Das waren sie auch. Albinos. In Budapest stießen wir auf eine reiche Frau, eine schrecklich verdorbene und schlechte Frau, die ihre Mägde auspeitschte und ihnen mit Zangen und Messern blutende Wunden zufügte und sich selbst das Blut in die Haut massierte, um ihre Schönheit zu erhalten. Sie war jedoch eine von Ihnen. Ich gestehe, daß ich sie mit meinen eigenen Händen tötete, so furchtbar war mir zumute angesichts der Dinge, die sie verbrochen hatte. Sie stand überhaupt nicht unter dem Einfluß des Durstes; nur ihre böse Natur trieb sie zu dem, was sie getan hatte, und das erregte meine Wut. Am Ende, nachdem wir nichts gefunden hatten, kehrten wir in mein Zuhause

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