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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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in Schottland zurück.
    Jahre verstrichen. Die Frau in unserer Gruppe, Simons Gefährtin und die Dienerin meiner Kindheit, starb 1840 aus Gründen, die ich niemals genau in Erfahrung bringen konnte. Sie war weniger als fünfhundert Jahre alt. Ich sezierte sie und lernte auf diesem Weg, wie verschieden, wie unmenschlich, wir sind. Sie besaß mindestens drei Organe, die ich noch nie bei menschlichen Leichen gesehen hatte. Ich habe von ihrer Funktion nur eine unklare Vorstellung. Ihr Herz war etwa anderthalb mal so groß wie das eines Menschen, aber ihre Eingeweide hatten nur einen Bruchteil der menschlichen Länge, und sie hatte einen zweiten Magen - ich nehme an, ausschließlich zur Verdauung von Blut. Und noch mehr, aber das ist jetzt unwichtig.
    Ich las viel, erlernte andere Sprachen, schrieb ein paar Gedichte, versuchte mich in Politik. Wir nahmen an allen bedeutenden gesellschaftlichen Zusammenkünften teil, zumindest Simon und ich. Smith und Brown, wie Sie sie nennen, hatten nie viel Interesse am Englischen und hielten sich weitgehend für sich. Zweimal reisten Simon und ich auf den Kontinent, um weitere Suchexpeditionen durchzuführen. Einmal schickte ich ihn für drei Jahre nach Indien, allein.
    Schließlich, kaum zwei Jahre ist es her, fanden wir Katherine, die in London wohnte, praktisch direkt vor unserer Nase. Sie gehörte natürlich zu unserer Rasse. Aber noch wichtiger war die Geschichte, die sie erzählte.
    Sie berichtete, daß sich um 1750 eine umfangreichere Gruppe unseres Volkes über Frankreich und Bayern und Österreich und sogar Italien verstreut hatte. Sie nannte einige Namen; Simon erkannte sie. Wir hatten seit Jahren erfolglos nach diesen Leuten gesucht. Katherine erzählte uns, daß einer von ihnen um 1753 von der Polizei in München verfolgt und erschossen worden war und daß die anderen seitdem zunehmend Angst hätten. Ihr Blutmeister entschied, daß Europa zu dicht bevölkert und zu sehr durchorganisiert sei, um ihnen noch Sicherheit bieten zu können. Wir lebten in den Nischen und Schatten, und die wurden, wie es schien, immer weniger. Daher hatte er ein Schiff gechartert, und sie alle waren von Lissabon aus in See gestochen, mit dem Ziel New York, wo die Unzivilisiertheit und die endlosen Wälder und harten Kolonialbedingungen leichte Beute und Sicherheit versprachen. Warum mein Vater und seine Gruppe an der Reise nicht teilgenommen hatten, konnte sie nicht sagen.
    Sie hatte mitziehen sollen, aber Regen und Sturm und ein gebrochenes Wagenrad behinderten ihre Fahrt nach Lissabon, und als sie dort eintraf, waren die anderen bereits unterwegs.
    Natürlich ging ich sofort nach Lissabon und sah in allen möglichen Schiffsunterlagen nach, die die Portugiesen aufbewahrt hatten. Nach einiger Zeit fand ich das Gesuchte. Das Schiff war von seiner Fahrt nie zurückgekehrt, wie ich bereits vermutet hatte. Während der langen Zeit auf See hatten sie sicherlich keine andere Wahl gehabt, als sich von der Mannschaft, einer nach dem anderen, zu ernähren. Die Frage war nur, war das Schiff je in der Neuen Welt eingetroffen? Darüber konnte ich keine Aufzeichnung finden. Aber ich fand den Zielhafen: New Orleans. Von dort aus hätte ihnen über den Mississippi der gesamte Kontinent offengestanden.
    Der Rest dürfte wohl klar sein. Wir kamen nach. Ich war überzeugt, alle finden zu können. Ich war der Ansicht, daß ich auf einem Dampfschiff den gleichen Luxus würde genießen können, an den ich mich gewöhnt hatte, sowie die Beweglichkeit und die Freiheit, die ich für meine Suche brauchte. Der Fluß war voller Exzentriker. Ein paar mehr würden gar nicht auffallen. Und wenn Geschichten von unserem prächtigen Boot und seinem seltsamen Kapitän, der nur nachts aus seiner Kabine herauskam, am Fluß die Runde machten, um so besser. Die Geschichten konnten so auch an die richtigen Ohren gelangen, und meine Leute würden zu mir kommen, wie Simon es vor vielen Jahren getan hat. Daher stellte ich Nachforschungen an, und wir trafen uns eines Nachts in St. Louis.
    Ich glaube, den Rest kennen Sie oder Sie können ihn sich zusammenreimen. Eines will ich aber noch sagen. Als Sie mir in New Albany unseren Raddampfer zeigten, war meine Zufriedenheit nicht gespielt. Die Fiebertraum ist wunderschön, Abner, und das sollte sie auch sein. Zum erstenmal ist etwas Schönes durch uns in diese Welt gekommen. Es ist ein neuer Anfang. Der Name machte mir etwas Angst - Fieber war in meinem Volk ein anderes Wort für den roten

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