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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Sie wollen. Einen Sklaven, ein Haustier, einen Helfer. Einen Knecht. Er war ein uralter Mann.
    Ein Mulatte, kahl, runzlig und häßlich mit einem trüben Auge und einem von einem Brand furchtbar zugerichteten Gesicht. Er bot keinen angenehmen Anblick, und innendrin - innendrin war er verkommen. Verdorben. Als ich auf ihn zukam, sprang er auf und schwang eine Axt gegen mich. Und dann blickte er in meine Augen. Er erkannte mich, Abner. Er wußte sofort, was ich war. Und er sank auf die Knie, heulte und jammerte, huldigte mir, kroch vor mir zu Kreuze wie ein Hund vor einem Menschen und flehte mich an, die Verheißung zu erfüllen, das Versprechen zu halten. ›Das Versprechen‹, sagte er in einem fort, ›das Versprechen, das Versprechen .‹
    Schließlich befahl ich ihm zu schweigen, und er tat es. Sofort. Er krümmte sich vor Angst. Ihm war beigebracht worden, den Worten eines Blutmeisters zu gehorchen. Ich forderte ihn auf, mir die Geschichte seines Lebens zu erzählen, in der Hoffnung, daß er mir Hinweise auf mein eigenes Volk liefere.
    Seine Geschichte war so schlimm wie meine eigene. Er wurde als freier Farbiger in einem Bezirk namens The Swamp geboren, wobei es sich vermutlich um ein berüchtigtes Viertel in New Orleans handelt. Dort bestritt er seinen Lebensunterhalt als Zuhälter, als Taschendieb und schließlich als Halsabschneider. Seine Opfer waren vorwiegend die Frachtbootleute, die in die Stadt herunterkamen. Er hatte schon zwei Männer getötet, ehe er zehn Jahre alt war. Später diente er unter Vincent Gambi, dem blutigsten aller Piraten von Barataria. Er war Aufseher über die Sklaven, die Gambi den spanischen Sklavenhändlern raubte und in New Orleans weiterverkaufte. Er war auch ein Voodoomann. Und er hat uns gedient.
    Er erzählte mir von seinem Blutmeister, dem Mann, der ihn zu seinem Knecht machte, der über seinen Voodoozauber lachte und versprach, ihn eine stärkere, dunklere Magie zu lehren. Diene mir, hatte der Blutmeister versprochen, und ich werde dich zu einem der Unseren machen. Deine Wunden werden heilen, dein Auge wird wieder sehen, du wirst Blut trinken und ewig leben, niemals altern. Also hatte der Mulatte ihm gedient. Fast dreißig Jahre lang tat er alles, was ihm aufgetragen wurde. Er lebte für dieses Versprechen. Er tötete auch für dieses Versprechen, wurde gelehrt, warmes Fleisch zu verzehren, Blut zu trinken.
    Bis der Meister am Ende Besseres im Sinn hatte. Der Mulatte, mittlerweile alt und gebrechlich, wurde zu einem Hemmnis. Seine Nützlichkeit war erschöpft, daher wurde er entlassen. Es wäre vielleicht ein Akt der Gnade gewesen, ihn zu töten, statt dessen wurde er fortgeschickt, flußaufwärts, wo er für sich selbst sorgen sollte. Ein Leibeigener lehnt sich niemals gegen seinen Blutmeister auf, auch wenn er erfährt, daß das ihm gegebene Versprechen eine Lüge war. So wanderte der alte Mulatte fort, zu Fuß, lebte dabei von Raub und Mord und zog auf diese Weise langsam flußaufwärts. Manchmal verdiente er sich ehrliches Geld als Sklavenfänger oder Tagelöhner, aber die meiste Zeit über hielt er sich verborgen in den Wäldern, ein Einsiedler, der nur nachts lebendig wurde. Wenn keine Gefahr drohte, verspeiste er das Fleisch und trank das Blut seiner Opfer, immer noch in dem Glauben, beides werde dazu beitragen, Jugend und Gesundheit zurückzubringen. Ein Jahr lang habe er in der Umgebung von New Madrid gelebt, erzählte er mir. Er schlug gewöhnlich Holz für den Mann auf dem Holzplatz, der zu alt und schwach war, um diese Arbeit selbst zu tun. Er wußte, wie selten jemand diesen Holzplatz aufsuchte. Daher . . . Nun, den Rest kennen Sie.
    Abner, Ihr Volk kann viel von meinem Volk lernen. Aber nicht die Dinge, die er gelernt hat. Nicht das . Ich hatte Mitleid mit ihm. Er war alt und häßlich und ohne Hoffnung. Doch ich war auch wütend, so wütend wie in Budapest über die reiche Frau, die so gern in Blut badete. In den Legenden Ihrer Rasse ist mein Volk der absolute Ausbund des Bösen. Der Vampir hat keine Seele, keine Würde, keine Hoffnung auf Vergebung, so heißt es dort. Das nehme ich nicht an, Abner. Ich habe unzählige Male getötet, habe viele furchtbare Dinge getan, aber ich bin nicht schlecht. Ich habe es mir nicht ausgesucht, das zu sein, was ich von Anfang an war. Ohne freie Wahl kann es kein Gut oder Böse geben. Mein Volk konnte diese Entscheidung niemals treffen. Der Rote Durst hat uns beherrscht, uns verflucht, uns dessen beraubt, was wir hätten

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