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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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gerade noch zu erkennen war. Er sah leer aus. Vielleicht war die Fiebertraum weitergefahren. Vielleicht. »Wie lange dauert es, durch die Biegung zu gelangen?« fragte Marsh den Lotsen.
    »Verdammte Hölle, warum interessiert Sie das jetzt? Wir werden mit diesem Schiff bis zum Frühjahr nirgendwohin fahren. Sie brauchen sowohl ein neues Ruder als auch ein neues Rad und einen höheren Pegel, um sie von der Sandbank loszubekommen.«
    »Die Biegung«, beharrte Marsh. »Wie lange dauert die Biegung?«
    Der Lotse beeilte sich zu antworten. »Dreißig Minuten, vielleicht zwanzig bei der Geschwindigkeit, die sie vorgelegt hat, aber warum ist das wichtig? Ich sage Ihnen . . . «
    Abner Marsh riß die Tür des Ruderhauses auf und brüllte nach Kapitän Yoerger. Dreimal mußte er rufen, und es dauerte gut fünf Minuten, bis Yoerger erschien. »Tut mir leid, Cap’n«, sagte der alte Mann. »Ich war unten auf dem Hauptdeck. Irish Tommy und Big Johanssen haben sich ganz schlimm verbrüht.« Er sah die Überreste des Schaufelrades und zuckte zusammen. »Mein armes altes Mädchen«, murmelte er gebrochen.
    »Ist irgendein Rohr geplatzt?« erkundigte Marsh sich.
    »Eine ganze Menge«, sagte Yoerger und löste mit Mühe seinen Blick von dem zerschmetterten Schaufelrad. »Überall nur Dampf, es wäre sicherlich schlimmer gekommen, wenn Doc nicht schnellstens die Auslaßventile geöffnet hätte und sie offengelassen hätte. Dieser Aufprall hat alles losgerissen.«
    Marsh sackte in sich zusammen. Das war der entscheidende Schlag. Selbst wenn sie sich selbst von der Sandbank freiwinschen könnten, wenn sie ein neues Ruder montieren und irgendwie mit einem halben Schaufelrad durch die Abkürzung zurücksetzen und unterwegs den verdammten Baum wegräumen könnten, um sich daran vorbeizuschleichen - was alles allein für sich schon nicht einfach wäre -, hätten sie außerdem noch geplatzte Dampfleitungen und vielleicht sogar einen Kesselschaden, mit dem sie sich herumschlagen müßten. Er fluchte laut und ausgiebig.
    »Cap’n«, sagte Yoerger, »jetzt können wir es mit denen zwar nicht mehr in einem Rennen aufnehmen und sie jagen, wie Sie es vorhatten, aber wenigstens sind wir in Sicherheit. Die Fiebertraum wird durch die Biegung dampfen und annehmen, daß wir längst weg sind, und dann werden sie uns weiter flußabwärts verfolgen.«
    »Nein«, sagte Marsh. »Cap’n, lassen Sie Tragbahren für die Verletzten zusammenbauen und hauen Sie durch die Wälder ab.« Er wies ihm die Richtung mit seinem Stock. Das Flußufer war drei Meter weit weg durch seichtes Wasser. »Suchen Sie eine Stadt. Es müßte eine in der Nähe sein.«
    »Zwei Meilen nach dieser Insel«, warf der Lotse ein. Marsh nickte ihm zu. »Gut, dann bringen Sie sie hin. Ich will, daß alle das Schiff verlassen, und zwar schnellstens.« Er erinnerte sich wieder an das goldene Funkeln, als Jeffers die Brille von der Nase rutschte, an dieses furchtbare kurze Aufblitzen. Nicht schon wieder, dachte Abner Marsh, nicht schon wieder seinetwegen. »Treibt einen Arzt auf, um die Verbrühten zu behandeln. Ich denke, ihr schafft es ungefährdet. Die wollen mich, nicht euch.«
    »Kommen Sie denn nicht mit?« fragte Yoerger. »Ich habe mein Gewehr«, sagte Abner Marsh. »Und ich habe so ein Gefühl. Ich warte.« »Kommen Sie mit uns.«
    »Wenn ich weglaufe, dann folgen sie mir. Wenn sie mich erwischen, dann passiert euch nichts. Jedenfalls nehme ich das an.«
    »Und wenn sie nicht auftauchen . . . «
    »Dann folge ich euch im Morgengrauen«, sagte Marsh. Er stieß ungeduldig mit seinem Stock auf. »Noch bin ich hier der Cap’n, oder nicht? Hören Sie auf, mit mir zu diskutieren, und tun Sie, was ich Ihnen befohlen habe. Ich will, daß alle sofort von meinem Schiff verschwinden, ist das klar?«
    »Cap’n Marsh«, sagte Yoerger, »dann lassen Sie sich wenigstens von mir und von Cat helfen.«
    »Nein. Verschwindet!«
    »Cap’n ...«
    »GEHT!« brüllte Marsh mit roten Gesicht. »GEHT!«
    Yoerger erbleichte, packte den Arm des erschreckten Lotsen und zerrte ihn aus dem Ruderhaus. Als sie nach unten gerannt waren, blickte Abner Marsh noch einmal zum Fluß zurück - noch immer nichts - und stieg dann nach unten in seine Kabine. Er nahm das Gewehr von der Wand, testete und lud es und verstaute die Schachtel mit den eigens angefertigten Patronen in einer Tasche seiner weißen Jacke. So bewaffnet, kehrte Marsh wieder auf das Sturmdeck zurück und stellte seinen Sessel so auf, daß er ständig

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