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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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töten? Warum, Captain? Ich wollte Sie eigentlich zum Dinner einladen.« Ein silbernes Tablett stand auf dem schmalen Tisch zwischen den großen Ledersesseln. Julian hob den Deckel, und darunter kamen ein Teller mit Brathuhn und Blattgemüse, weißen Rüben und Zwiebeln sowie ein Stück Apfelkuchen mit Quark zum Vorschein. »Wein ist auch da. Bitte, nehmen Sie Platz, Captain.«
    Marsh blickte auf das Essen und nahm den appetitlichen Duft wahr. »Demnach ist Toby noch am Leben«, stellte er mit plötzlicher Gewißheit fest.
    »Natürlich ist er das«, sagte Julian. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    Marsh trat wachsam vor. Er hatte keine Vorstellung, was Julian im Schilde führte, aber er versuchte es kurz zu ergründen und entschied dann, daß es ihm eigentlich gleichgültig war. Vielleicht war das Essen vergiftet, aber das ergab keinen Sinn, sie hatten sicherlich einfachere Methoden, ihn zu töten. Er setzte sich und griff nach einer Hühnerbrust. Sie war noch heiß. Er biß hungrig hinein und erinnerte sich daran, wie lange es her war, seit er eine anständige Mahlzeit zu sich genommen hatte. Möglich, daß er schon bald sterben müßte, aber dann würde der Tod ihn wenigstens mit vollem Bauch antreffen.
    Damon Julian, eine elegante Erscheinung in einem braunen Anzug mit goldener Weste, verfolgte Marshs Mahlzeit mit einem belustigten Lächeln in dem bleichen Gesicht. »Wein, Captain?« war alles, was er fragte. Er füllte zwei Gläser und trank genußvoll einen Schluck.
    Nachdem Abner Marsh den Kuchen verzehrt hatte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und rülpste, dann verzog er finster das Gesicht. »Ein üppiges Mahl«, sagte er widerstrebend. »Nun, warum bin ich hier, Julian?«
    »An dem Abend, an dem Sie sich so hastig verabschiedeten, Captain, da versuchte ich Ihnen lediglich mitzuteilen, daß ich mit Ihnen reden wollte. Sie hatten es vorgezogen, mir nicht zu glauben.«
    »Sie haben verdammt recht, daß ich Ihnen nicht glaubte«, sagte Marsh. »Und ich tue es noch immer nicht. Aber nun habe ich zu der Angelegenheit nicht viel zu sagen, daher reden Sie.«
    »Sie sind sehr mutig, Captain Marsh. Und stark. Ich bewundere Sie.«
    »Ich kann nicht behaupten, daß ich viel für Sie übrig habe.«
    Julian lachte. Sein Gelächter perlte wie Musik. Seine dunklen Augen funkelten. »Amüsant«, sagte er. »Soviel Frechheit.«
    »Ich weiß nicht, warum Sie versuchen, mich einzuwickeln, aber ich werde Ihnen bei nichts helfen. Alles Brathuhn der Welt schaffte es nicht, daß ich vergesse, was Sie mit dem armen Säugling und mit Mister Jeffers getan haben.«
    »Sie scheinen zu vergessen, daß Jeffers mich kurz vorher mit einem Degen durchbohrt hatte«, sagte Julian. »Und so etwas nimmt niemand so leicht hin.«
    »Das Kind hatte keinen Degen.«
    »Ein Sklave«, sagte Julian gleichgültig. »Eine Sache, tote Substanz, nach den Gesetzen Ihres Landes. Minderwertig laut dem Urteil Ihrer eigenen Leute. Ich habe ihm ein Leben in Ketten erspart, Captain.«
    »Fahren Sie zur Hölle!« fluchte Marsh. »Es war nur ein armseliger Säugling, und Sie haben ihm die Hand abgeschnitten, als wäre es ein Hühnerkopf, und dann haben sie den Schädel zerquetscht. Er hat Ihnen nichts getan.«
    »Nein«, sagte Julian, »ebensowenig hat Jean Ardant Sie oder Ihre Leute behelligt. Und trotzdem haben Sie und Ihr Maat ihm den Schädel eingeschlagen, während er schlief.«
    »Wir hatten ihn für Sie gehalten.«
    »Aha«, sagte Julian. Er lächelte. »Dann war es also ein Fehler. Aber ob Sie nun aus einem Irrtum heraus handelten oder nicht, Sie haben auf jeden Fall einen Unschuldigen abgeschlachtet. Aber Sie scheinen sich in keiner Weise schuldig zu fühlen.«
    »Er war kein Mensch. Er war einer von Ihrer Sorte. Ein Vampir.«
    Julian schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. »Bitte. Ich teile Joshuas Abneigung gegen diesen Begriff.« Marsh hob die Schultern. »Sie widersprechen sich selbst, Captain Marsh«, stellte Julian fest. »Sie halten mich für böse, weil ich das tue, was Sie ohne Hemmungen ebenfalls tun - nämlich denen das Leben nehmen, die nicht so sind wie Sie. Nun gut. Sie verteidigen Ihre eigene Art. Darunter zählen Sie sogar die farbigen Rassen. Sehen Sie, das bewundere ich. Sie wissen, wer Sie sind, Sie kennen Ihren Standort, Ihre Natur. So soll es auch sein. Sie und ich, wir sind uns darin gleich.«
    »Ich bin in gar nichts so wie Sie«, sagte Marsh.
    »Oh, aber das sind Sie! Wir stellen uns unserer Natur, Sie und ich, wir versuchen

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