Fiebertraum
einzugreifen. Er sagte ihnen, es sei Teil eines Plans, die Passagiere auszurauben und zu töten, und daß sie sich nachher die Beute teilen würden. Als meine Leute sich schließlich auch gegen ihre menschlichen Helfer wandten, war es zu spät.
Es passierte, während wir in jener letzten Nacht oben am Balkon standen und uns unterhielten, Abner. Die Schreie, das Gemetzel, Julians wilde Todeszuckungen. Nicht alles verlief ganz nach seinem Willen. Die Passagiere wehrten sich. Ich erfuhr, daß praktisch jeder meiner Leute irgendwelche Wunden davontrug, obgleich die natürlich sofort wieder verheilten. Vincent Thibaut wurde ins Auge geschossen, und er starb. Katherine wurde von zwei Heizern gepackt und in einen Ofen gestopft. Sie verbrannten sie, ehe Kurt und Alain einschreiten konnten. Demnach fanden zwei meiner Leute den Tod. Zwei von uns und weit über hundert von Ihrer Rasse. Die Überlebenden wurden in ihren Kabinen eingesperrt.
Als es vorüber war, begann für Julian das Warten. Die anderen waren voller Angst und wollten fliehen, aber das ließ Julian nicht zu. Er wollte entdeckt werden, so glaube ich. Man erzählt sich, er habe von Ihnen gesprochen, Abner.«
»Von mir?« Marsh war wie vom Donner gerührt.
»Er versprach Ihnen angeblich, daß der Fluß die Fiebertraum niemals vergessen werde. Er lachte und meinte, er habe sein Versprechen wohl gehalten.«
In Abner Marsh wallte Wut auf und brach in einem Fluch aus ihm heraus. »Er soll zur Hölle fahren!« sagte er mit seltsam ruhiger Stimme.
»Genau das«, sagte Joshua York, »geschah damals. Aber ich hatte davon keine Ahnung an jenem Abend, als ich zur Fiebertraum zurückkehrte. Ich wußte nur, was ich mit eigenen Augen gesehen hatte, was ich roch, was ich vermuten und mir zusammenreimen konnte. Und ich war wie besessen, wild. Ich riß die Bretter an den Kabinentüren herunter, wie ich erzählte, und dann war Julian da, und plötzlich konnte ich nur noch schreien, und ich schrie ihn an. Ich wollte Rache. Ich wollte ihn töten, wie ich noch niemals jemand hatte umbringen wollen, ich wollte seinen bleichen Hals aufreißen und wollte sein verdammtes Blut schmecken! Meine Wut . . . ach, Worte können es nicht beschreiben!
Julian wartete, bis ich mit dem Schreien aufhörte, und dann sagte er ruhig: ›Zwei Bretter sind noch an Ort und Stelle, Joshua. Mach sie los und laß die Leute heraus. Du mußt sehr viel Durst haben.‹ Sour Billy kicherte. Ich sagte nichts. ›Mach weiter, lieber Joshua‹, meinte Julian. ›Heute wirst du wirklich wieder zu uns zurückkehren und uns in Zukunft nie mehr verlassen. Fahr fort, Joshua! Befrei ihn! Töte ihn!‹ Und seine Augen hielten mich fest. Ich spürte ihre Kraft, spürte, wie sie mich zu ihm hinzogen, mir seinen Willen aufzwangen. Sobald ich sein Blut wieder gekostet hätte, würde ich ihm gehören, mit Leib und Seele, für immer. Er hatte mich ein dutzendmal geschlagen, mich gezwungen, vor ihm niederzuknien, bereit, ihm mein Blut anzubieten. Aber er hat es nie geschafft, mich soweit zu bringen, daß ich tötete. Es war der letzte Schutzwall für alles, was ich war, woran ich glaubte und was ich zu tun versuchte, und nun rissen seine Augen diesen Schutzwall nieder, und dahinter warteten nur noch Tod, Blut, Grauen und die endlose leere Nacht, die schon bald mein Leben bestimmen sollte.«
Joshua York unterbrach seinen Bericht und senkte den Blick. In seinen Augen hatte ein umwölkter und undeutbarer Ausdruck gelegen. Abner Marsh sah zu seiner Verwunderung, daß Joshuas Hand zitterte. »Joshua«, sagte er, »was immer geschehen ist, es liegt jetzt dreizehn Jahre zurück. Es ist vorbei, versunken wie jene Leute, die Sie in England getötet haben. Und Sie hatten nie eine Wahl. Sie haben mir doch erklärt, daß man nicht ohne eigene Entscheidung gut oder böse ist. Sie sind niemals so, wie Julian ist, ganz gleich, ob Sie den Mann umbrachten oder nicht.«
York blickte ihm in die Augen und lächelte seltsam. »Abner, ich habe den Mann nicht getötet.«
»Nein? Was dann . . . «
»Ich habe mich dagegen gewehrt«, sagte Joshua. »Ich war wütend, Abner. Ich schaute ihm in die Augen, und ich verabscheute ihn. Ich kämpfte gegen ihn an. Und diesmal gewann ich. Wir standen volle zehn Minuten lang da, und schließlich riß Julian sich los, zähnefletschend, und wich über die Treppe zu seiner Kabine zurück, und Sour Billy rannte hinter ihm her. Meine Leute standen da und starrten mich verblüfft an. Raymond Ortega trat vor und
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