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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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forderte mich heraus. Keine Minute verging, und er kniete vor mir. ›Blutmeister‹, sagte er und senkte den Kopf. Dann, nacheinander, knieten auch die anderen nieder. Armand und Cara, Cynthia, Jorge und Michel LeCouer, sogar Kurt, alle. Simons Gesicht leuchtete triumphierend. Auch die anderen freuten sich. Julian hatte ein schlimmes Regiment geführt. Nun waren sie frei. Ich hatte Damon Julian besiegt, trotz seiner Kraft, trotz seines Alters. Ich war wieder der Anführer meiner Leute. Dann begriff ich, daß ich vor einer Entscheidung stand. Wenn ich mich nicht beeilte, würde die Fiebertraum entdeckt, und Julian und ich und unsere gesamte Rasse müßten sterben.«
    »Was haben Sie getan?«
    »Ich suchte Sour Billy. Er war trotz allem als Maat erfahren. Er stand vor Julians Kabine, verwirrt, feige. Ich übertrug ihm die Verantwortung über das Hauptdeck und erklärte den anderen, sie sollten seinen Befehlen gehorchen. Sie arbeiteten. Als Heizer, als Maschinisten, als Mechaniker. Mit Billys Hilfe, der Todesängste litt und seine Befehle gab, heizten wir ein. Wir verbrannten Holz und Talg und Leichen. Schlimm, ich weiß, aber wir mußten die Toten verschwinden lassen, oder wir hätten ohne Risiko an keinem Holzplatz mehr anlegen können. Ich ging ins Ruderhaus und übernahm das Steuer. Dort oben war wenigstens niemand ums Leben gekommen. Das Schiff fuhr bei gelöschter Beleuchtung los, damit niemand uns sehen konnte. Manchmal mußten wir die Fahrrinne ausloten und kamen nur langsam voran, aber dann, als der Nebel sich hob, schafften wir ein zügiges Tempo und waren so schnell, daß Sie auf Ihr Schiff stolz gewesen wären. Wir überholten einige Dampfer in der Dunkelheit, und ich grüßte sie mit der Dampfpfeife, und sie pfiffen zurück, aber niemand kam nahe genug heran, um unseren Namen zu lesen. Der Fluß war in dieser Nacht fast leer wegen des Nebels. Ich war ein tollkühner Lotse, aber die Alternative wären für uns die Entdeckung und der sofortige Tod gewesen. Als die Dämmerung anbrach, waren wir noch immer auf dem Fluß unterwegs. Ich ließ ihnen keine Ruhepause. Billy ließ Planen um das Hauptdeck spannen als Schutz vor der Sonne. Ich blieb im Ruderhaus. Wir passierten New Orleans bei Sonnenaufgang, fuhren weiter stromabwärts und bogen in ein Bayou ein. Es war schmal und seicht und stellte den schwierigsten Teil unserer Reise dar. Wir mußten ständig das Lot ausbringen. Aber schließlich erreichten wir Julians alte Plantage. Erst dann zog ich mich in meine Kabine zurück. Ich war schrecklich verbrannt. Wieder einmal.« Er lächelte bitter. »Ich schien mir das zur Gewohnheit gemacht zu haben«, sagte er. »Am nächsten Abend schaute ich mir Julians Land an. Wir hatten den Dampfer an einem halbverfaulten Floß festgemacht, aber er war zu auffällig. Wenn Sie nach Cypress Landing gekommen wären, hätten Sie ihn sofort gefunden. Ich wollte ihn aber auch nicht zerstören, da wir ihn vielleicht noch brauchen würden, dennoch wußte ich, daß es besser war, ihn zu verstecken.
    Ich fand eine Lösung. Die Plantage hatte früher einmal Indigo produziert. Dann hatten die Eigentümer vor mehr als fünfzig Jahren begonnen, statt dessen das gewinnträchtigere Zuckerrohr anzubauen, und Julian hatte sich natürlich um gar nichts gekümmert; aber südlich des Haupthauses fand ich die alten Indigogruben an einem Wasserweg, der zum Bayou führte. Es war ein stilles, abgelegenes Gewässer, zugewachsen und stinkend. Indigo ist nichts Angenehmes. Der Kanal war kaum breit genug für die Fiebertraum und ganz eindeutig nicht tief genug.
    Daher ließ ich den Kanal ausgraben. Wir entluden den Dampfer und schufen im Unterholz eine Lichtung und fällten die Bäume, die den Kanal einengten. Einen Monat Arbeit hatten wir, Abner, fast jede Nacht. Und dann lenkte ich den Dampfer durch das Bayou, bugsierte ihn in den Seitenarm. Als wir Grundberührung hatten, stoppte ich ihn. Aber nun war das Schiff praktisch unsichtbar. In den folgenden Wochen sperrten wir den Seitenarm ab und legten ihn trocken. Nach etwa einem Monat stand die Fiebertraum auf feuchtem schlammigen Grund, verhüllt von Eichen und Zypressen, und niemand wäre auf die Idee gekommen, daß dort einmal ein Gewässer existiert hatte.«
    Abner Marsh runzelte mißbilligend die Stirn. »Das ist aber kein schönes Ende für ein Dampfschiff«, knurrte er bitter. »Vor allem nicht für die Fiebertraum . Sie hätte etwas Besseres verdient.«
    »Ich weiß«, sagte Joshua, »aber ich

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