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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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aber der massige Mann war einfach zu dumm, um es auch nur wahrzunehmen. »Wir warten im Haus«, erklärte Sour Billy und achtete darauf, daß seine Hände seinem Rücken nicht zu nahe kamen.
    »Ist mir recht«, meinte der Sklavenjäger. Er saß ab. »Ich heiße übrigens Tom Johnston, und das ist mein Sohn Jim.«
    »Mister Julian wird sich freuen, Sie kennenzulernen«, sagte Sour Billy. »Binden Sie Ihre Pferde an, und bringen Sie die Nigger ins Haus. Seien Sie auf der Treppe vorsichtig. Sie ist stellenweise etwas morsch.«
    Die Frau begann zu wimmern, als sie sie zum Haus zerrten, aber Jim Johnston versetzte ihr einen heftigen Schlag auf den Mund, und sie verstummte wieder.
    Sour Billy brachte sie in die Bibliothek und zog die schweren Vorhänge auf, um etwas Licht in den dämmrigen und staubigen Raum hereinzulassen. Die Sklaven setzten sich auf den Fußboden, während die beiden Sklavenjäger sich in den beiden schweren Ledersesseln ausstreckten. »Also«, sagte Tom Johnston, »hier gefällt es mir.«
    »Alles ist morsch und staubig, Daddy«, meinte der Junge. »Genau wie die Nigger es geschildert haben.«
    »Also so was«, sagte Sour Billy und betrachtete die beiden Neger. »Nein, nein. Mister Julian wird es gar nicht gefallen, daß ihr Geschichten über sein Haus verbreitet habt. Damit habt ihr euch mindestens eine Tracht Prügel eingehandelt.«
    Der große Schwarze, Sam, fand den Mut, den Kopf zu heben und seinen Peiniger trotzig anzublicken. »Ich hab’ vor Prügel keine Angst.«
    Sour Billy reagierte mit einem schmalen Lächeln. »Na schön, aber es gibt schlimmere Dinge als Prügel, Sam. Die gibt es wirklich.«
    Das war für die Frau, Lily, zuviel. Sie sah den Jungen an. »Er sagt die Wahrheit, Massa Jim, bestimmt. Sie müssen aufpassen. Bringen Sie uns noch vor der Nacht von hier weg. Sie und Ihr Daddy können uns behalten, wir arbeiten für Sie, wir arbeiten wie verrückt, ganz bestimmt. Wir laufen auch niemals weg. Wir sind gute Nigger. Wir wären auch nie weggelaufen, wenn nicht . . . nicht . . . warten Sie nicht bis zum Abend, Massa, tun Sie’s nicht! Denn dann ist es zu spät!«
    Der Junge schlug sie mit dem Kolben seiner Pistole, der auf ihrer Wange eine rote Strieme hinterließ, und sie wurde rückwärts auf den Teppich geschleudert, wo sie zitternd und schluchzend liegenblieb. »Halt dein verdammtes schwarzes Lügenmaul«, sagte er.
    »Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?« fragte Sour Billy.
    Die Stunden vergingen. Sie leerten fast zwei Flaschen von Julians bestem Brandy und schütteten ihn in sich hinein, als wäre es billigster Fusel. Sie aßen. Sie unterhielten sich. Sour Billy redete selbst nicht viel, sondern er stellte nur Fragen, um Tom Johnston auszuhorchen, der betrunken und eitel und in seine eigene Stimme verliebt war. Die Sklavenjäger operierten von Napoleon, Arkansas aus, so schien es, aber da sie häufig unterwegs waren, hielten sie sich dort nur selten auf. Es gab auch eine Missus Johnston, aber die blieb mit ihrer Tochter stets zu Hause. Sie erzählten ihr nicht viel von den Geschäften, die sie betrieben. »Es gibt keinen Grund, warum eine Frau über das Kommen und Gehen ihres Mannes genau Bescheid wissen sollte. Wenn man ihnen irgend etwas erzählt, dann haben sie nachher nichts anderes zu tun, als einen zu belästigen und zu fragen, warum man wieder so spät nach Hause kommt. Dann muß man sie immer ein wenig verprügeln.« Er spuckte aus. »Da ist es schon besser, wenn sie überhaupt keine Ahnung haben, um so mehr freuen sie sich, wenn man dann plötzlich vor der Tür steht.« Johnston erweckte bei Sour Billy den Eindruck, daß er es vorzog, sich mit Negermädchen abzugeben, und daß er seine Ehefrau überhaupt nicht vermißte.
    Draußen ging die Sonne im Westen unter.
    Als die Schatten länger wurden und den Raum füllten, erhob sich Sour Billy, zog die Vorhänge vor und zündete einige Kerzen an. »Ich gehe Mister Julian Bescheid sagen«, meinte er dann.
    Der jüngere Johnston war furchtbar blaß, als er sich an seinen Vater wandte, dachte Sour Billy. »Daddy, ich habe nicht gehört, daß irgend jemand zum Haus geritten kam«, sagte er.
    »Einen Moment«, sagte Sour Billy Tipton. Er verließ sie, wanderte durch den finsteren, leeren Ballsaal und stieg die breite Treppe hinauf. Oben betrat er ein geräumiges Schlafzimmer, dessen Fenster mit Läden verrammelt waren und in dem das Bett von einem schwarzen Samtvorhang verhüllt wurde. »Mister Julian«, rief er sanft von der

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