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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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berühren konnten. Er hielt sich deshalb für einen ausgesprochen netten Menschen. Er brachte ihnen sogar eine warme Mahlzeit.
    Anschließend bereitete er sich seine eigene Mahlzeit und spülte sie mit dem Rest in der zweiten Brandyflasche hinunter, die die Johnstons geöffnet hatten. Er war gerade fertig geworden, als Alain in die Küche kam. Das Blut auf seinem Hemd war eingetrocknet, und dort, wo ihn der Schuß getroffen hatte, klaffte ein schwarzes Brandloch, doch ansonsten war seine Kleidung makellos. »Es ist vorbei«, meldete Alain ihm. »Julian möchte, daß Sie in die Bibliothek kommen.«
    Sour Billy schob den Teller zurück, um der Aufforderung nachzukommen. Das Eßzimmer mußte gründlich gesäubert werden, wie er beim Hindurchgehen bemerkte. Adrienne und Kurt und Armand tranken in der Stille genußvoll ein Glas Wein, die Leichen - oder was davon noch übrig war - lagen nur ein paar Schritte von ihnen entfernt. Ein paar von den anderen hatten sich in den Salon begeben und unterhielten sich.
    In der Bibliothek war es tiefschwarz. Sour Billy hatte erwartet, Damon Julian allein anzutreffen, aber als er eintrat, gewahrte er in den Schatten drei verschiedene Gestalten; zwei saßen, eine stand. Er konnte nicht erkennen, wer sie waren. Er wartete an der Tür, bis Julian endlich das Wort ergriff. »In Zukunft bringen Sie nie mehr solche Leute in meine Bibliothek«, sagte die Stimme. »Sie waren schmutzig. Sie haben einen Geruch hinterlassen.«
    Sour Billy empfand seine plötzliche Furcht wie einen Messerstich. »Ja, Sir«, sagte er und blickte den Sessel an, aus dem Julian geredet hatte. »Es tut mir leid, Mister Julian.«
    Nach einem Moment des Schweigens sagte Julian: »Schließ die Tür, Billy. Komm herein. Du darfst die Laterne anzünden.«
    Die Laterne war aus rot gefärbtem Glas zusammengesetzt; ihre Flamme tauchte den staubigen Raum in den rotbraunen Farbton von getrocknetem Blut. Damon Julian saß in einem hochlehnigen Sessel, die langen dünnen Finger unter dem Kinn gefaltet, ein gedankenverlorenes Lächeln im Gesicht. Valerie saß an seiner rechten Seite. Der Ärmel ihres Gewandes war bei dem Kampf zerfetzt worden, aber sie schien es noch nicht bemerkt zu haben. Sour Billy dachte, daß sie noch blasser war als sonst. Ein paar Fuß entfernt stand Jean hinter einem anderen Sessel, vermittelte einen gefaßten und gleichzeitig nervösen Eindruck und spielte mit einem großen goldenen Ring am Finger.
    »Muß er dabei sein?« fragte Valerie Julian. Sie schenkte Billy nur einen kurzen Blick, und in ihren großen violetten Augen funkelte unverhohlene Abneigung.
    »Nun, Valerie«, erwiderte Julian. Er streckte den Arm aus und ergriff ihre Hand. Sie zitterte und preßte die Lippen fest zusammen. »Ich habe Billy gerufen, um dir ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln«, fuhr Julian fort.
    Jean raffte all seinen Mut zusammen und blickte Sour Billy direkt in die Augen, runzelte dabei die Stirn. »Dieser Johnston hatte eine Frau.«
    Das war es also, dachte Sour Billy. »Haben Sie Angst?« fragte er Jean spöttisch. Jean gehörte nicht zu Julians Lieblingen, daher war es nicht gefährlich, ihn zu hänseln. »Er hatte eine Frau«, sagte Billy, »aber das ist kein Grund zur Besorgnis. Er hat nie viel mit ihr geredet, hat ihr nie erzählt, wohin er ging oder wann er wieder zurückkäme. Sie wird der Sache bestimmt nicht nachgehen und Sie verfolgen.«
    »Mir gefällt das nicht, Damon«, brummte Jean.
    »Was ist mit den Sklaven?« meldete Valerie sich wieder zu Wort. »Sie waren zwei Jahr lang weg. Sie haben den Johnstons einiges erzählt, gefährliche Dinge. Genausogut können sie auch mit anderen Leuten geredet haben.«
    »Billy?« sagte Julian.
    Sour Billy hob die Schultern. »Ich schätze, die haben ihre Geschichten jedem Nigger von hier bis Arkansas erzählt«, sagte er. »Das beunruhigt mich aber nicht. Es sind doch alles nur Niggerstories, die sowieso niemand glaubt.«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Valerie. Dann wandte sie sich an Damon Julian, flehte ihn an. »Damon, bitte, Jean hat recht. Wir sind schon viel zu lange hier: Es ist kein sicherer Ort mehr. Weißt du noch, was sie mit der Frau in New Orleans, dieser Lalaurie, die ihre Sklaven zum Vergnügen gefoltert hat, gemacht haben? Irgendwann wurden Geschichten über sie bekannt, und sie wurde erwischt. Und was sie getan hatte, war nichts im Vergleich . . . « Sie zögerte, schluckte, und fügte dann hastig hinzu: ». . . zu den Dingen, die wir tun. Den

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