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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Schwindler.«
    »Ein ehrlicher Mann also«, sagte York mit einem Hauch von Schärfe in der Stimme, so daß Marsh nicht mit Sicherheit feststellen konnte, ob sein Gegenüber sich über ihn lustig machte. »Es freut mich, daß Sie mir den augenblicklichen Zustand Ihres Unternehmens dargestellt haben, Captain. Aber eigentlich wußte ich längst darüber Bescheid. Mein Angebot bleibt bestehen.«
    »Warum?« fragte Marsh schroff. »Nur ein Narr wirft Geld zum Fenster hinaus. Und Sie sehen nicht wie ein Narr aus.«
    Die Speisen kamen, ehe York darauf etwas erwidern konnte. Marsh’ Brathuhn war herrlich knusprig, genauso, wie er es am liebsten mochte. Er trennte einen Schenkel ab und begann hungrig zu essen. York bekam eine dicke Scheibe Rinderbraten vorgesetzt, rot und roh, im eigenen Blut und Bratensaft schwimmend. Marsh sah ihm dabei zu, wie er ihm geschickt und lässig zu Leibe rückte. Sein Messer glitt durch das Fleisch, als wäre es Butter, ohne zu sägen oder zu hacken, wie Marsh es häufig machte. Er ging mit seiner Gabel um wie ein Gentleman, wechselte sie von einer Hand in die andere, wenn er sein Messer beiseite legte. Kraft und Grazie; York hatte beides in seinen langen, blassen Händen, und Marsh gefiel das. Er wunderte sich, daß er sie jemals für Frauenhände angesehen hatte. Sie waren weiß, aber kräftig, hart wie die weißen Tasten des großen Flügels im Großen Salon auf der Eclipse .
    »Nun?« meinte Marsh. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
    Joshua York zögerte einen Moment. Schließlich sagte er: »Sie sind zu mir ehrlich gewesen, Captain Marsh. Ich möchte Ihre Offenheit nicht mit Lügen beantworten, wie ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Aber ich werde Sie auch nicht mit der Wahrheit belasten. Es gibt da Dinge, über die ich nicht reden darf, Dinge, die Sie wahrscheinlich nicht wissen wollen. Lassen Sie mich Ihnen meine Bedingungen nennen, unter diesen Umständen, und dann wollen wir sehen, ob wir auf dieser Basis zu einer Einigung kommen können. Wenn nicht, dann trennen wir uns in friedlichem Einvernehmen.«
    Marsh löste das Brustfleisch von seinem zweiten Brathuhn. »Reden Sie weiter«, meinte er. »Ich habe nicht vor zu gehen.«
    York legte Messer und Gabel beiseite, stützte die Fingerspitzen gegeneinander und formte damit einen Spitzkegel. »Aus ganz persönlichen Gründen möchte ich der Herr eines Dampfbootes sein. Ich möchte auf diesem großen Fluß unterwegs sein, in allem Komfort und völlig ungestört, und zwar nicht als Passagier, sondern als Kapitän. Ich habe einen Traum, ein Ziel sozusagen. Ich suche Freunde und Verbündete, und ich habe Feinde, viele Feinde. Die Einzelheiten brauchen Sie nicht zu interessieren. Wenn Sie mich danach fragen, dann werde ich Ihnen irgendwelche Lügen erzählen. Also dringen Sie nicht in mich.« In seine Augen trat plötzlich ein harter Glanz, der jedoch sogleich wieder verschwand, als er lächelte. »Das einzige, worüber Sie Bescheid wissen müssen, Captain, ist mein Wunsch, ein Dampfboot zu besitzen und zu lenken. Wie Sie sicherlich längst bemerkt haben, bin ich kein Flußschiffer. Ich habe von Dampfbooten keine Ahnung, auch nicht vom Mississippi, bis auf das, was ich in ein paar Büchern gelesen habe und was ich in den Wochen erfahren konnte, die ich in St. Louis verbracht habe. Es ist ganz offensichtlich, daß ich einen Partner brauche, jemanden, der sich mit dem Fluß und den Leuten dort auskennt, jemanden, der die alltäglichen Dinge im Zusammenhang mit dem Boot regeln kann, so daß ich frei bin, meine eigenen Ziele zu verfolgen.
    Dieser Partner muß auch noch über andere Eigenschaften verfügen. Er muß verschwiegen sein, da ich nicht möchte, daß mein Verhalten - welches, wie ich zugebe, manchmal etwas seltsam anmutet - zum allgemeinen Tagesklatsch wird. Er muß vertrauenswürdig sein, da ich ihm sämtliche Befehlsgewalt über unser Unternehmen überlassen will. Er muß Mut haben. Ich möchte keinen Schwächling oder abergläubischen Mann oder jemanden, der übermäßig religiös ist. Sind Sie ein religiöser Mensch, Captain?«
    »Nein«, erwiderte Marsh. »Ich hab’ für die Bibelschwinger nie viel übrig gehabt, und sie für mich auch nicht.«
    York lächelte. »Sehr pragmatisch. Ich brauche einen Pragmatiker. Ich brauche jemanden, der sich auf seinen Teil des Geschäftes konzentriert und mir nicht zu viele Fragen stellt. Ich lege großen Wert auf meine Privatsphäre, darauf, ungestört zu sein und in Ruhe

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