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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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gelangen. Das war ein blutiger Tag gewesen, aber notwendig; schließlich hatte Black Hawk seine Raub- und Kriegszüge in Illinois veranstaltet.
    Das Blut, das möglicherweise an Joshuas Händen geklebt hatte, oder auch nicht, war irgendwie anders. Marsh war beunruhigt und fühlte sich unbehaglich.
    Trotzdem, so rief er sich ins Gedächtnis zurück, hatte er eine Abmachung getroffen. Und für Abner Marsh war eine Abmachung eine wichtige Angelegenheit, und ein Mann mußte jede, die er getroffen hatte, unbedingt einhalten, seien sie gut oder schlecht, ob mit einem Prediger oder mit einem Gauner oder mit dem Teufel persönlich. Joshua York hatte erwähnt, daß er Feinde habe, erinnerte Marsh sich, und wie ein Mann mit seinen Feinden umspringt, war seine eigene Sache. York war Marsh gegenüber stets fair gewesen.
    Dies waren seine Gedanken, und er versuchte, die ganze Angelegenheit aus seinem Bewußtsein zu verdrängen.
    Aber der Mississippi verwandelte sich in Blut, und auch in seinen Träumen floß viel von dem Saft. An Bord der Fiebertraum wurde die Stimmung gelangweilt und trübe. Ein Öler war unvorsichtig und zog sich durch ausströmenden Dampf Verbrühungen zu und mußte in Napoleon an Land gebracht werden. Ein Schauermann machte sich in Vicksburg aus dem Staub, was ziemlich verrückt war, denn immerhin befand man sich im Sklavenland, und er war ein freier Farbiger. Es kam zu Streitereien unter den Deckspassagieren. Daran seien nur die Langeweile und die schwüle, erstickende feuchte Augusthitze schuld, erklärte Jeffers ihm. Abschaum dreht schon mal durch, wenn es heiß wird, bekräftigte Hairy Mike. Abner Marsh war sich da nicht so sicher. Ihm schien es fast so, als würden sie für irgend etwas bestraft.
    Missouri und Tennessee blieben hinter ihnen zurück, und Marsh schäumte innerlich vor Wut. Städte und Ortschaften und Holzplätze glitten vorbei, Tage wurden zu quälend langsam verstreichenden Wochen; und sie verloren wegen Yorks Fahrtunterbrechungen Passagiere und Fracht. Marsh ging an Land, suchte Saloons und Hotels auf, die von Dampfschiffern bevölkert wurden und lauschte den Gesprächen, und ihm gefiel das Gerede überhaupt nicht, das über sein Boot geführt wurde. Trotz all ihrer Kessel, so lautete eine dieser Geschichten, war die Fiebertraum zu schwer und zu groß gebaut worden, und angeblich war sie überhaupt nicht schnell. Maschinendefekte, lautete ein anderes Gerücht; die Schweißnähte an den Kesseln stünden kurz vor dem Aufreißen. Das war schlimmes Gerede; Kesselexplosionen waren ein gefürchteter Unglücksfall. Ein Maat von irgendeinem Schiff in New Orleans erzählte Marsh in Vicksburg, daß die Fiebertraum zwar sehr gut aussah, daß aber ihr Kapitän nur ein unfähiger Mann vom oberen Flußlauf sei, der nicht die Courage habe, sie voll auszufahren. Marsh platzte fast der Schädel bei solchem Unsinn. Es wurde auch über York geredet, über ihn und seine seltsamen Freunde. Die Fiebertraum war tatsächlich im Begriff, einen bestimmten Ruf zu bekommen, das stimmte schon, aber der war nicht so geartet, daß Abner Marsh darüber in Freudenstürme ausgebrochen wäre.
    Als sie sich Natchez näherten und in den Hafen hineindampften, hatte Marsh wirklich genug erlebt.
    Es war die Stunde der ersten zaghaften Dämmerung, als sie Natchez zum erstenmal in der Ferne sichteten. Die ersten Lampen brannten am trüben Nachmittag, und die Schatten wurden von Westen her immer länger. Bis auf die Hitze war es ein schöner Tag gewesen; sie hatten seit dem Verlassen Cairos ihre beste Zeit geschafft. Auf dem Fluß lag ein goldener Glanz, und die Sonne blitzte darauf wie polierter Messingschmuck, prachtvoll auf dem Wasser hüpfend und tanzend, als ein leichter Wind aufkam und die Fluten kräuselte. Marsh hatte sich an diesem Nachmittag ins Bett gelegt, weil er sich etwas unwohl fühlte, aber er tauchte aus seiner Kabine auf, als er den Schrei der Dampfpfeife hörte als Antwort auf den Ruf eines anderen Raddampfers, der hoch und schnell durch das Wasser herankam. Sie verständigten sich, wie Marsh wußte, wie es immer geschieht, wenn ein flußabwärts und ein flußaufwärts fahrendes Schiff sich begegnen, und teilten sich gegenseitig mit, welches von beiden sich rechts hielt und welches links, wenn sie einander passierten. So etwas geschah jeden Tag etwa dutzendmal. Aber im Ruf des anderen Bootes war etwas, das ihn anrief, ihn aus seinen verschwitzten Laken herausscheuchte, und er kam rechtzeitig auf das

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