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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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und die Feuer in ihren Eingeweiden verlöschen, und dann strömte die Mannschaft vom Schiff wie Blut aus einer offenen Wunde. Einige blieben auf dem Kai zurück, um Eiscreme oder Obst bei den schwarzen Händlern mit ihren Karren zu kaufen, doch die meisten eilten durch die Silver Street zu den verheißungsvollen hellen Lichtern.
    Abner Marsh lungerte auf dem Texasdeck herum, bis die ersten Sterne sich hervorwagten. Gesangsfetzen schwebten aus den Fenstern der Freudenhäuser über das Wasser, aber sie verbesserten seine Stimmung nicht. Schließlich öffnete Joshua York seine Kabinentür und trat in die Nacht hinaus. »Gehen Sie an Land, Joshua?« fragte Marsh ihn.
    York lächelte kühl. »Ja, Abner.«
    »Wie lange werden Sie diesmal wegbleiben?«
    Joshua York deutete ein Achselzucken an. »Das kann ich nicht sagen. Ich werde so schnell es geht wieder zurückkommen. Warten Sie auf mich.«
    »Ich sollte Sie lieber begleiten, Joshua«, sagte Marsh. »Das dort draußen ist Natchez. Natchez- under-the-Hill. Dort weht ein rauher Wind. Am Ende hängen wir hier einen ganzen Monat fest, während Sie mit aufgeschlitzter Kehle irgendwo in der Gosse liegen. Lassen Sie mich mitkommen, um auf Sie aufzupassen. Ich bin ein Mann vom Fluß. Sie nicht.«
    »Nein«, wehrte York ab. »Ich habe an Land einige Geschäfte zu erledigen, Abner.« »Wir sind doch Partner, nicht wahr? Ihre Geschäfte sind meine Geschäfte, wenn es die Fiebertraum betrifft.«
    »Ich habe neben Ihrem Raddampfer auch noch andere Interessen, mein Freund. Dinge, bei denen Sie mir nicht helfen können. Einige Dinge, die ich ganz allein erledigen muß.«
    »Simon geht mit Ihnen, nicht wahr?«
    »Manchmal. Das ist etwas anderes, Abner. Simon und ich haben . . . gewisse gemeinsame Interessen, die wir beide, Sie und ich, nicht haben.«
    »Sie haben einmal Feinde erwähnt, Joshua. Wenn es das ist, was Sie vorhaben, sich um die zu kümmern, die Ihnen geschadet haben, dann sagen Sie es nur. Ich helfe Ihnen.«
    Joshua York schüttelte den Kopf. »Nein, Abner. Meine Feinde sind wahrscheinlich nicht Ihre Feinde.«
    »Lassen Sie das lieber mich entscheiden, Joshua. Sie waren bisher zu mir immer fair. Vertrauen Sie darauf, daß auch ich fair sein werde.«
    »Das kann ich nicht«, entgegnete York kummervoll. »Abner, wir haben eine Abmachung getroffen. Stellen Sie mir keine Fragen. Bitte. Und nun lassen Sie mich freundlicherweise durch.«
    Abner Marsh nickte und trat beiseite, und Joshua York eilte an ihm vorbei und die Treppe hinunter. »Joshua«, rief Marsh ihm nach, als York fast das Ende der Treppe erreicht hatte. Der Angerufene drehte sich um. »Nehmen Sie sich in acht, Joshua«, warnte Marsh. »In Natchez geht es oft . . . blutig zu.«
    York starrte einen langen Augenblick zu ihm hinauf, seine Augen grau und der Ausdruck in ihnen unlesbar wie Rauch. »Ja«, sagte er schließlich. »Ich werde mich vorsehen.« Dann drehte er sich um und eilte davon.
    Abner Marsh schaute ihm nach, während er an Land ging und sich in Richtung Natchez- under-the-Hill entfernte, wobei seine schlanke Gestalt im Licht der Petroleumlampen lange Schatten warf. Als Joshua York nicht mehr zu sehen war, wandte Marsh sich um und ging nach vorn zur Kapitänskabine. Die Tür war verschlossen, wie er es erwartet hatte. Marsh griff in seine geräumige Tasche und holte den Schlüssel heraus.
    Er zögerte, ehe er ihn ins Schloß schob. Sich von den Schlüsseln Duplikate anfertigen zu lassen und sie im Safe des Dampfers aufzubewahren, war kein Verrat, sondern einfach nur vernünftig. Es kam vor, daß Menschen in ihren verriegelten Kabinen starben, und dann war es günstiger, einen Ersatzschlüssel zu haben, als die Tür aufzubrechen. Aber diesen Schlüssel auch zu benutzen, war eine andere Sache. Er hatte immerhin eine Vereinbarung getroffen. Aber Geschäftspartner mußten sich gegenseitig vertrauen, und wenn Joshua York ihm nicht trauen wollte, wie konnte er dann andererseits von ihm Vertrauen erwarten? Entschlossen entriegelte Marsh das Schloß und betrat Yorks Kabine.
    Er zündete eine Petroleumlampe an und verriegelte die Tür hinter sich. Für einen Moment stand er unschlüssig da, schaute sich um und fragte sich, was er eigentlich zu finden hoffte. Yorks Kabine war lediglich ein geräumiges Einzelabteil und sah genauso aus wie bei allen vorherigen Gelegenheiten, bei denen Marsh sich in ihr aufgehalten hatte. Dennoch mußte es irgend etwas geben, das ihm Aufschluß über York geben würde, das ihm einen

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