Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
ich es dir erzählen
wollte, jedes Mal, wenn ich gedacht hatte, das sei der richtige Moment, konnte
ich nicht die richtigen Worte finden. Ich konnte dir nicht sagen, dass man
deine Mutter ermordet hatte. Es ist immer noch schwer für mich, es
auszusprechen. Also habe ich dich in dem trostreichen Zustand leben lassen, die
Wahrheit nicht zu kennen. Ich weiß, dass du nicht meiner Meinung bist, aber
irgendwie habe ich dir doch die Wut erspart, mit der ich schon seit Jahren
lebe.”
„Warum
erzählst du mir das alles jetzt?”
Louis
trat an seinen Schreibtisch und griff nach dem Päckchen Zigaretten, das neben
Annes Bild lag. Er fischte eine heraus, brannte sie mit einem Feuerzeug an und
atmete eine Wolke blauen Rauches aus.
„Weil
die Zeit jetzt gekommen ist.”
Er
reichte Michael die Zeitung, die seine Sekretärin ihm heute früh gegeben hatte,
und Michael las von dem kürzlichen und steilen Wertverlust der Redman
International-Aktien.
„Vor
einunddreißig Jahren habe ich es nicht geschafft, diesen Hundesohn einsperren
zu lassen für das, was er deiner Mutter angetan hat,” sagte Louis. „Jetzt, wo
seine Aktien so niedrig sind, wie noch nie, habe ich endlich das Geld und die
Macht, die nötig sind, um ihn und jedes einzelne Mitglied seiner Familie fertig
zu machen. Alle werden sie bezahlen für das, was George Redman deiner Mutter
angetan hat. Aber ich brauche deine Hilfe.”
Bevor
er darauf reagieren konnte, warf Michael einen Blick auf die Titelseite und den
Scheinwerfer, der zertrümmert vor dem Redman International-Gebäude lag. Einen
Moment lang starrte er nur darauf, und dann stellte sein Verstand Verbindungen
her, von denen er nicht gewusst hatte, dass sie existierten. Er schaute Louis
an.
„Du
hast diese Scheinwerfer mit Sprengladungen manipuliert.”
„Sagen
wir so: Ich hab’s veranlasst.”
„Aber
dabei wäre beinahe jemand ums Leben gekommen.”
„Nicht
der Richtige, Michael. George Redman ist immer noch am Leben.”
Michael
warf die Zeitung auf den Schreibtisch. „Du hast vor, ihn umzubringen, nicht
wahr?”
„Das
ist mein Plan. Aber bevor es so weit ist, gibt es noch eine Menge zu tun, und
wenn der Zeitpunkt dann gekommen ist, werde nicht ich es sein, der den Finger
am Abzug hat. Das wirst du sein. Du wirst das für deine Mutter tun. Natürlich
nur, wenn du noch immer möchtest, dass ich Santiago auszahle.”
Da
war er endlich, der Grund, warum sein Vater ihm helfen wollte. Michael
schüttelte den Kopf. Enttäuschung, Zorn und ein Gefühl der Demütigung
pulsierten durch seinen Körper. Konnte der Mann ihm nicht dieses eine Mal nur
helfen? Konnte er nicht dieses eine Mal nur das Richtige tun?
Er
schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Ich mag vieles sein, aber ein Mörder
bin ich nicht.”
Louis
presste die Lippen zusammen. „Du solltest nochmal darüber nachdenken, Michael.
Dein eigener Tod ist schon in Auftrag gegeben.” Er schaute auf den Kalender,
der auf seinem Schreibtisch stand. „Wie viel Zeit hat Santiago dir denn
gegeben, um das Geld aufzutreiben? Zwei Wochen? Einen Monat? Du hast nicht mehr
sehr lange.”
„Ich
werde das Geld schon irgendwie zusammbekommen.”
Louis
drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. „Mach dir nichts vor. Wenn du jemand
anderen um das Geld hättest bitten können, dann hättest du das getan. Indem du
zu mir gekommen bist, hast du zugegeben, dass ich deine letzte Hoffnung bin.”
Er
griff in seine Schreibtischschublade und zog sein privates Scheckheft hervor.
„Wenn du meine Hilfe möchtest, kannst du sie haben – aber nur unter der
Bedingung, dass du mir hilfst, die Vergangenheit zu korrigieren.”
Michael
wollte schon etwas erwidern, entschied dann aber, dass es nutzlos wäre, und
ging Richtung Tür. Bevor er das Zimmer verließ, blieb er stehen und blickte
seinen Vater an. Louis’ Augen waren so kalt und so bitter wie die Stille, die
zwischen ihnen im Raum hing. „Wenn George Redman Mutter das angetan hast, was
du behauptest, dann soll er auch dafür büßen. Aber das geht auch anders. Wir
haben Gesetze. Ich will verdammt sein –“
Louis
hob eine Hand. „Sag das nicht mir, Michael. Sag es deiner Mutter. Ihr musst du
das erklären, nicht mir.”
Nur
sein Vater konnte das alles schwieriger machen, als es ohnehin schon war. „Ich
bin kein Mörder.”
„Aber
deine Mutter ist ermordet worden. Warum also könntest du nicht auch morden? Wir
alles können es. Warum sollte sie keine Gerechtigkeit bekommen?”
Michael
ging
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