Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
Stephano Santiago, dem Besitzer
des Casinos und capo di capi von
Europas mächtigstem Verbrechersyndikat, über $900.000. Es war Blutgeld, und
Michael wusste, dass Santiago ihn umbringen würde, wenn er dem Mann das Geld
nicht bald zurückzahlte.
Schon
einen Tag später erhielt er einen Drohanruf von einem von Santiagos Leuten.
Nach einem weiteren Tag saß er in einer Maschine und flog Richtung Osten nach
Manhattan, wo er sich mit seinem Vater zum ersten Mal in beinahe sechzehn
Jahren traf.
Es
war ein Schock für Michael, seinen Vater nach all den Jahren wiederzusehen.
Louis war älter, grauer und schwerer als an dem Tag, an dem Michael sein
Elternhaus verlassen hatte – aber ungeachtet dessen machte er immer noch
einen gewaltigen Eindruck. Er saß an seinem Schreibtisch, war tadellos in einen
schwarzen Seidenanzug gekleidet, und sah seinen Sohn durch das Zimmer hinweg
mit Augen an, die genauso düster und beurteilend waren, wie Michael sie in
Erinnerung hatte. Es dauerte nicht lange, bis Michael sich unwohl fühlte. Mit
einem bloßen Blick konnte Louis bei ihm ein Gefühl von Minderwertigkeit
hervorrufen.
Zögernd
berichtete er seinem Vater von seiner Misere. Und während Louis ihm
versicherte, dass er sich um alles kümmern werde, hatte er diesen besonderen
Ton in der Stimme, diesen ruhigen Ton, dessen er sich immer dann bediente, wenn
er etwas wollte.
Jetzt
wusste Michael, dass es etwas mit den Fotos von Leana Redman zu tun hatte, die
man ihm zuvor gegeben hatte, sowie mit seinem Erscheinen vergangene Nacht auf
George Redmans Party. Dass sein Vater verlangt hatte, dass er sie kennenlernte,
hatte seinen Grund – und das beunruhigte ihn. Hinter allem, was sein
Vater tat, verbarg sich ein Motiv.
Er
schaute auf die Uhr und sah, dass er noch Zeit hatte, ein paar Dinge mehr
auszupacken, bevor er sich mit seinem Vater treffen würde. Er setzte sich zu
Rufus, der seine Nase gegen seinen Arm drückte, und griff nach einem Karton mit
der Aufschrift PRIVAT. Das erste, was er herauszog war – ironischerweise
– sein erster Roman und Bestseller.
Michael
strich mit der Hand über den vergilbten Umschlag und dachte an die Zeit zurück,
als er den Roman begonnen hatte. Er war achtzehn Jahre alt und lief von zu
Hause weg. Er stieg in einen Bus, der nach Hollywood fuhr. Die Nacht zuvor
hatte es einen großen Streit zwischen ihnen gegeben, und Michael hatte
eingesehen, dass er und Louis – ganz gleich, wie sehr er sich auch
bemühte – einander nie verstehen würden. Und so verschwand er.
Selbst
jetzt, nach all den Jahren, konnte sich Michael noch gut daran erinnern, wie
der Streit endete. Louis hatte zu ihm gesagt, dass er ihn nicht liebe und dass
er ihn nie geliebt habe. Er hatte zu ihm gesagt, dass er wünsche, es wäre
Michael gewesen, der umgekommen wäre, und nicht seine Mutter.
Michael
warf das Buch zur Seite und langte tiefer in den Karton. Als er den nächsten
Gegenstand berührte, hörte er ein Klirren wie von Glas, und ihm wurde schwer
ums Herz. Er wusste, was es war, noch bevor er es aus den vielen
Zeitungsblättern gewickelt hatte und in seinen Händen hielt. Es war eine
gerahmte Fotografie von seiner Mutter Anne, etwas, das er wertgeschätzt hatte,
seit er drei Jahre alt war. Ihr Gesicht war von den Glasscherben zerschnitten.
Michael
starrte das Bild an, als es an die Tür klopfte. Er legte es weg und schaute auf
die Uhr. Verwundert blickte er auf Rufus, der jetzt die Tür anstarrte und
seinen Kopf auf eine solche Weise vorstreckte, die andeutete, dass auch er
wusste, dass sie niemanden erwarteten. Es klopfte wieder, diesmal schärfer,
dringlicher, und dann waren Schritte zu hören, die sich rasch entfernten.
Michael
schritt schnell durch den Irrgarten an Kisten und schloss die Tür auf. Er
öffnete sie weit, trat in den Flur und stolperte beinahe über den Korb zu
seinen Füßen, der in glänzendes Geschenkpapier eingewickelt war.
Ein
Netz von Schatten zog sich durch den Flur. Einen Moment lang hörte er nichts,
nur seine Nachbarn, die schon wieder ihr Kind anbrüllten. Er spürte, dass
jemand in der Nähe war, und wusste, man beobachtete ihn. Er trat in die
Sicherheit seines Apartments zurück, verriegelte die Tür und wartete.
Die
Zeit schien stehen zu bleiben. Seine Nachbarn brüllten noch immer. Und dann war
vom Ende des Flurs ein Geratter von Metall auf Metall zu hören; die Gittertür
des Lastenaufzugs wurde aufgerissen, und jemand trat hinein.
Die
Tür wurde zugeworfen, der Aufzug verharrte
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