Fifth Avenue--Ein Thriller (German Edition)
anhatte. Mit fünfundzwanzig hatte Leana Redman eine
lange, dicke Mähne schwarzer Locken, die sie – sehr zu ihrem Bedauern
– von ihrem Vater geerbt hatte. Zwar galt sie nicht als so schön wie ihre
ältere Schwester, doch es war etwas an ihr, das die Leute immer zweimal
hinschauen ließ.
Sie
verließ den Park und ging die Fünfte hinauf. Leute blockierten den Gehweg. Eine
Gruppe von fünf Jungen im Teenager-Alter schoss auf Skateboards an ihr vorbei;
sie schrien und kreischten, während sie nur unscharf wahrnehmbar als rote und
weiße und leuchtende Schattierungen von Grün durch die Menge rasten.
Leana
hob ihr Gesicht in die warme Brise und versuchte, sich auf das bevorstehende
Problem zu konzentrieren – die Party heute abend. Sie hatte vorgehabt,
nicht zu erscheinen, als ihre Mutter, die so etwas ahnte, ihre Anwesenheit
verlangt hatte. „Dein Vater erwartet deine Unterstützung.”
Die
Ironie dieses Satzes ließ Leana beinahe auflachen. Er hat sie noch nie gebraucht.
Vor
vier Stunden hätte sie eigentlich Elizabeth auf ihrem Landsitz in Connecticut
treffen und ihr mit den letzten Vorbereitungen für die Party helfen sollen.
Warum ihre Mutter ihre Hilfe wollte, konnte sie nicht begreifen, zumal beide
wussten, dass Celina sich um alles kümmern würde. Wie sie das immer tat.
Sie
blieb an einem gut besuchten Zeitungskiosk stehen. Ein Mann stellte sich neben
sie. Leana betrachtete ihn von der Seite. Groß und dunkel, sein Gesicht hager
und kantig. Er trug eine schwarze Lederjacke, die für die Jahreszeit viel zu
warm war und die den Blick auf einen breiten Brustkorb sowie eine kompliziert
aussehende Digitalkamera freigab, die er um den Nacken hängen hatte.
Leana
ahnte, dass sie ihn schon einmal zuvor gesehen hatte.
Nun
war sie an der Reihe. Sie ignorierte die vielen Zeitungen und Zeitschriften mit
Bildern von ihrem Vater, Celina und dem neuen Gebäude auf der Titelseite und
bat den Verkäufer um die neueste Ausgabe
von Interview , zahlte dafür und
steckte das Magazin in die bunte, übergroße Prada-Tasche, die an ihrer Seite
hing.
Sie
schaute nochmals zu dem Mann in schwarzem Leder hinüber und sah, dass er sie
anstarrte. Sie setzte ihren Weg die Fünfte hoch fort, wusste aber, dass er
nichts gekauft hatte und ihr nun folgte. Erst als sie sein Spiegelbild in einem
der Schaufenster erblickte, merkte sie, dass er Fotos von ihr machte.
Leana
drehte sich um und wollte gerade fragen, für welche Zeitung er denn arbeite,
als sie den Griff eines Revolvers erblickte, der in den Falten seiner schwarzen
Lederjacke verborgen steckte.
Voll
Schrecken blickte sie just in dem Moment in das Gesicht des Mannes, als er die
Kamera senkte. Als er sie anlächelte, erkannte sie ihn. Heute morgen hatte er
im Park auf der Bank neben ihr gesessen. Sie hatte schon da geglaubt, dass er
sie beobachtete. Nun wusste sie es mit Sicherheit.
„Heute
nacht,” sagte der Mann, „wenn diese Bilder entwickelt sind, werde ich sie an
die Wand an meinem Bett neben all die anderen hängen, die ich von Ihnen habe.“
Sein Lächeln wurde breiter und zeigte seine ebenmäßigen, weißen Zähne. „Und
schon bald – bevor Sie es wirklich begreifen, Leana – habe ich vor,
Sie mit nach Hause zu nehmen und sie Ihnen selber zu zeigen.”
Sie
wandte sich von ihm so schnell ab, dass das Magazin aus ihrer Handtasche und
auf das Pflaster fiel. Die Seiten lagen aufgeblättert. Vor ihr ließ ein Taxi
einen Fahrgast aussteigen.
Leana
lief hin. Der Mann folgte.
„Warten
Sie!” rief sie, aber das Taxi fuhr an. Ein schneller Blick über ihre Schulter
versicherte ihr, dass der Mann noch immer da war. Der Griff seines Revolvers
glänzte in einem Sonnenstrahl. Leana wollte gerade um Hilfe rufen, als ein
anderes Taxi anhielt. Außer sich rannte sie mit klopfendem Herzen auf es zu und
stieg im selben Moment ein, in dem ein älteres Ehepaar ausstieg.
Sie
schlug die Tür zu und verriegelte sie gerade rechtzeitig, bevor der Mann sie
öffnen konnte. Sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von der Scheibe entfernt,
und er sah wütend aus, so, als ob man ihm einen verdienten Preis vorenthalten
wollte. Er schlug mit der Hand gegen die Scheibe, und Leana zuckte zurück.
Das
Taxi fuhr nicht an. Leana sah auf den Fahrer, der auf eine Lücke im Verkehr
wartete. „Er hat eine Waffe!” schrie sie. „Fahren Sie endlich los!”
Der
Taxifahrer blickte auf den Mann, sah die Wut in seinem Gesicht, trat aufs
Gaspedal und verursachte beinahe einen Unfall, als
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