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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Spuren in der Luft. Er schien sich in einer Art Kampfrausch zu befinden. Seine Tunika war schweißnass, aber sein Gesichtsausdruck ruhig. Seine verschleierten Augen waren fast zu Schlitzen zusammengekniffen.
    Doch der wahre Schrecken war Julia. Sie hatte eine Art Verwandlungsmagie heraufbeschworen, die Quentin noch nie gesehen hatte; vielleicht war aber auch nur das Nichtmenschliche in ihr während des Kampfes zutage getreten. Er erkannte sie kaum wieder. Ihre Haut glänzte phosphoreszierend silbrig, und sie war um mindestens fünfzehn Zentimeter gewachsen. Sie kämpfte mit bloßen Händen. Sie näherte sich den Soldaten, bis einer dumm genug war, einen Speer nach ihr zu werfen. Diesen fing sie in der Luft auf, als bewege er sich in Zeitlupe und verdrosch den Soldaten und seine Kameraden damit nach Strich und Faden. Sie schien ungeheuer stark zu sein, und Metallklingen glitten einfach an ihrer Haut ab.
    Sie sah nicht so aus, als brauche sie Hilfe. Quentin fand die Treppe ins Obergeschoss. Er trat die erste Tür ein, die er erblickte, und hätte es beinahe mit dem Leben gebüßt, weil ein gewaltiger Feuerball ihn überrollte.
    Es war ein mächtiger Zauber, den jemand lange Zeit ausgearbeitet und mit Energie aufgeladen haben musste. Das Feuer hüllte Quentin vollkommen ein, und er spürte, wie die Flammen an ihm leckten. Durch den Feuerschutzzauber fühlten sie sich eisig an. Doch die Barriere hielt, und als das Feuer erloschen war, rauchte Quentin zwar an allen Gliedern, war aber unversehrt.
    Er stand auf der Schwelle zu einer abgedunkelten Bibliothek. Darin saß an einem Tisch mit zwei Leselampen ein Skelett in einem feinen braunen Anzug. Nein, kein Skelett, sondern eher ein Mann, aber ein sichtlich toter. Er hatte noch Fleisch auf den Knochen, aber es war ledrig eingeschrumpft.
    In der Bibliothek war es sehr still. Links und rechts glommen und knackten Bücherregale, angekohlt von dem Feuerball. Die Leiche sah Quentin an, mit Augen wie harte trockene Nüsse.
    »Schade«, sagt die Mumie schließlich. Ihre Stimme krächzte und knisterte wie ein durchgebrannter Lautsprecher. Von ihren Stimmbändern war offenbar nicht viel übrig. Irgendeine übernatürliche Kraft hielt sie am Leben, lange nach ihrem Verfallsdatum. »Das war mein einziger Zauber.«
    Quentin wartete. Das Gesicht des Dings war unbeweglich, undurchdringlich. Seine trockenen Lippen bedeckten die Zähne nicht gänzlich. Es war kein schöner Anblick, doch Quentin konnte der Mumie irgendwie nicht richtig böse sein. Worum ging es noch einmal bei dem Kampf? Quentin konnte sich auf einmal nicht mehr daran erinnern. Er fragte sich, ob er den anderen zu weit vorausgeeilt war. Nein, dies hier war seine Aufgabe. Er hatte damit angefangen, und das war jetzt der Kampf der Häuptlinge.
    Zuckend erwachte die Leiche wieder zum Leben und warf mit ihrem dürren, schlackernden Marionettenarm ein Messer nach Quentin. Dieser duckte sich instinktiv, aber es war ein kläglicher Wurf, und das Messer kam nicht einmal in seine Nähe. Es flog durch die geöffnete Tür hinter ihm und fiel klappernd auf die Bodenfliesen.
    »Na schön«, sagte die Leiche. »Jetzt bin ich wirklich fertig.«
    Sie stieß eine Art Seufzer aus.
    »Wo ist der Schlüssel?«, fragte Quentin. »Sie haben doch einen, oder?« Eine schreckliche Sekunde lang befürchtete er, es könne nicht so sein.
    »Ich weiß gar nicht mehr, was ich tue«, hauchte die Leiche und schob mit verschrumpelter Hand ein kleines Holzkästchen quer über den Tisch zu Quentin hinüber. Die Haut an den Fingerknöcheln war abgenutzt wie das Leder an den Lehnen eines alten Sessels. »Er hat meiner Tochter gehört.«
    »Ihrer Tochter«, wiederholte Quentin. »Wer sind Sie?«
    »Kennen Sie die Geschichte etwa nicht?« Wieder seufzte die Leiche. Sie schien sich leichter in ihr Schicksal zu ergeben, als Quentin erwartet hatte. Er wusste nicht, ob sie noch atmen musste, aber offensichtlich konnte sie, wenn sie wollte, noch Luft in ihren Brustkorb einsaugen und wieder herauspressen wie ein Blasebalg. »Ich dachte, sie wäre allgemein bekannt.«
    Jetzt, wo er sich nicht mehr bewegte, merkte Quentin, dass er schweißbedeckt war, und er fror in der kalten Inselnachtluft.
    »Augenblick. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie der Mann aus dem Märchen sind?
Die sieben goldenen Schlüssel?
«
    »Ein Märchen? So nennt ihr das?« Zischend presste die Mumie Luft zwischen den Zähnen hindurch. War das ein Lachen? »Aber ich nehme an, es ist ein

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