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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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wuchtete ihn gegen das Fenster auf der Fahrerseite des protzigen Autos.
    Quentin hatte gar keine Zeit, einen Rat oder eine Meinung zu äußern, so in der Art wie: Wirf nicht den Stein durch das Autofenster. Zu spät.
    Julia brauchte zwei Anläufe, um die Scheibe einzuschlagen. Das Sicherheitsglas riss und dehnte sich, bevor es endgültig nachgab. Die Alarmanlage schrillte ohrenbetäubend laut durch die Vorortstille, doch erstaunlicherweise gingen im Haus keine Lichter an. Julia fasste durch das Loch, klappte sanft die Tür auf, hob den Stein raus, legte ihn auf den Asphalt und glitt in den schwarzen Vinylschalensitz.
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«, ächzte Quentin.
    Julia nahm eine Glasscherbe, ritzte sich damit den Daumen auf, flüsterte irgendetwas und drückte ihre blutige Daumenkuppe gegen das Zündschloss.
    Die Alarmanlage schwieg, der Motor sprang an, das Radio erwachte zum Leben, und aus der Anlage dröhnte »Poundcake« von Van Halen. Julia hob ihren Hintern, wischte die restlichen Scherben vom Sitz und sagte zu Quentin: »Steig ein!«
    Manchmal muss man einfach handeln, ohne lange zu fragen. Quentin ging auf die Beifahrerseite – obwohl er der Form halber wohl über die Motorhaube hätte rutschen sollen –, und Julia gab Gas, bevor er die Tür zugeschlagen hatte. Mit hohem Tempo ließen sie das Wohnviertel seiner Eltern hinter sich. Quentin konnte kaum fassen, dass niemand die Polizei gerufen hatte, aber er hörte keine Sirenen. Das war entweder richtig gute Magie oder unverschämtes Glück. Julia stellte Van Halen nicht ab, ja nicht mal leiser. Die graue Straße raste unter ihnen entlang. Eine Kutsche konnte da natürlich nicht mithalten.
    Julia ließ das kaputte Fenster ganz herunter, damit es nicht so auffiel.
    »Wie hast du das bloß gemacht?«, fragte Quentin.
    »Kannst du Autos kurzschließen?«, fragte Julia. »Das war drahtloses Kurzschließen, so haben wir das damals genannt.«
    »Wann hast du denn regelmäßig Autos geknackt? Und mit wem?«
    Julia antwortete nicht, sondern nahm nur die nächste Kurve so scharf, dass das Auto trotz seiner lächerlich straffen Federung auf zwei Rädern durchging.
    »Das war ein Stoppschild«, bemerkte Quentin. »Ich bin immer noch der Meinung, wir sollten nach Brakebills fahren.«
    »Schon unterwegs.«
    »Du hast es dir also anders überlegt?«
    »Soll vorkommen.« Julias Daumen blutete immer noch. Sie lutschte daran und wischte ihn an der Hose ab. »Kannst du fahren?«
    »Nein. Ich hab’s nie gelernt.«
    Julia fluchte und drehte das Radio auf.
     
    Es waren vier Stunden von Chesterton nach Brakebills, jedenfalls so weit, wie man sich Brakebills mit dem Auto nähern konnte. Julia brauchte nur drei. Sie rasten längs durch Massachusetts gen Westen und weiter über die alten Schnellstraßen in New England, für die Schneisen in Fichtenwälder geschlagen und Passagen durch Hügel gesprengt worden waren. Nackte rote Felsen ragten links und rechts empor, nass vom Wasser der Quellen, die bei den Sprengungen freigelegt worden waren.
    Die Sonne sank. Das Auto stank nach dem Zigarettenrauch des Besitzers. Alles war toxisch und chemisch und unnatürlich: die Walnussblende aus Plastik, die elektrische Beleuchtung, das verbrennende Benzin, das sie vorantrieb. Die hiesige Welt war das Produkt von raffiniertem Erdöl. Julia hörte während der ganzen Fahrt einen Klassikrock-Sender. Zu behaupten, sie hätte den kompletten Text jeder einzelnen Nummer gekannt, wäre übertrieben gewesen, aber es fehlte nicht viel.
    Bei Beacon, New York, überquerten sie den Hudson River und bogen von der Autobahn auf eine kurvige Landstraße mit alten Frostbeulen im Asphalt ab. Julia sang vor sich hin, ansonsten wechselten sie kein Wort. Quentin versuchte immer noch, zu begreifen, was vorhin mit ihnen geschehen war. Da es zu dunkel wurde, um noch am selben Abend nach Brakebills zu gelangen, zeigte ihm Julia an einer insektenumschwärmten Tankstelle, wie man ohne Karte Bargeld aus einem Automaten zog. Sie kauften ihr eine Sonnenbrille, um ihre seltsamen Augen zu verbergen, und verbrachten die Nacht – in getrennten Zimmern – in einem Motel. Quentin forderte den Angestellten kraft seiner Gedanken dazu heraus, etwas über ihre Kleidung zu sagen, aber vergeblich.
    Am nächsten Morgen gönnte sich Quentin eine echte heiße Dusche in einem stilechten Western-Badezimmer. Ein Pluspunkt für die Realität. Er schrubbte sich so lange, bis er das ganze Salz aus seinem Haar gewaschen hatte,

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