Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
damals noch ein halbes Kind, hatte die ganze Nacht nach einem Zugang gesucht. Es wäre besser für sie gewesen, wenn sie ihn nie gefunden hätte. Pass auf, was du jagst, du könntest es fangen.
»Lass es uns hier mal versuchen«, schlug er vor.
Julia sprach den Anasazi-Zauber auf ihre ungeschliffene, vehemente Art, wobei sie in einem Quadrat unmittelbar vor ihr unsichtbare Luftschichten abtrug, als wische sie eine beschlagene Scheibe sauber. Innerlich seufzte Quentin bei einigen ihrer Handbewegungen, aber die Kraft ihrer Magie schien nicht unter ihrem schlampigen Stil zu leiden, sondern sogar teilweise davon zu profitieren.
Quentin begann seinerseits mit dem Mann-Zauber. Er war viel einfacher als der Anasazi, aber schließlich war das kein Wettbewerb, sondern es ging um Arbeitsteilung.
Er kam nicht dazu, ihn zu Ende zu bringen. Die sonst so gefasste Julia stieß plötzlich einen Schrei aus und trat einen Schritt rückwärts. Vor ihr in der Luft, in dem Quadrat, das sie gereinigt hatte, schwebte ein Gesicht. Es gehörte zu einem älteren Mann mit Ziegenbart, der einen königsblauen Schlips und einen ekelhaften gelben Blazer trug.
Es war Dekan Fogg, der Schulleiter von Brakebills. Sein Gesicht schaute aus dem Viereck, weil er genau vor Julia stand.
»Soooooo«, sagte der Dekan, wobei er den Vokal derart in die Länge zog, dass es fast melodisch klang. »Der verlorene Sohn ist heimgekehrt.«
Keine fünf Minuten später spazierten sie über das Meer, wie die große Wiese vor dem Haus genannt wurde, die so üppig, grün und weitläufig wie immer dalag. Ringsum wogte das Gras auf einer Fläche von fünf Fußballfeldern. Die glühende Sommersonne stand direkt über ihren Köpfen. Innerhalb der magischen Umgrenzung war es Juni.
Es war unglaublich. Seit drei Jahren war Quentin nicht mehr hier gewesen, seit damals, als er Dekan Fogg gebeten hatte, von der Liste der Magier gestrichen zu werden. Doch nichts hatte sich verändert. Die Gerüche, die Wiesen, die Bäume, die Jugendlichen – dieser Ort war wie Shangri-la, vergessen von der Zeit, verharrte er in einer ewigen Gegenwart.
»Wir haben euch beobachtet, seitdem ihr die Straße verlassen habt. Der Verteidigungswall ist weit stärker als zu deiner Zeit. Weit stärker. Doppelt geflochtene Kraftlinien – wir haben einen tüchtigen jungen Mann in unserer theoretischen Fakultät, nicht mal ich verstehe auch nur die Hälfte von dem, was er vollbringt. Man kann inzwischen eine vollständige Karte des Waldes in Echtzeit sehen und jeden beobachten, der ihn betritt. Verschiedene Farbcodes zeigen Intentionen und Gemütsverfassung der Besucher an. Bemerkenswert.«
»Bemerkenswert.« Quentin fühlte sich zutiefst verstört. Julia, die neben ihm herging, sagte nichts. Wer weiß, was sie empfand; er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie war seit ihrem vergeigten Examen an der Highschool nicht mehr hier gewesen. Seit Foggs Erscheinen hatte sie keinen Ton mehr gesagt, auch wenn sie es immerhin geschafft hatte, ihm die Hand zu schütteln, als Quentin sie einander vorgestellt hatte.
Fogg erzählte unermüdlich weiter über die Schule und den Campus, Quentins Klassenkameraden und ihre beeindruckenden, respektablen Leistungen. Von ihnen hatte sich offenbar keiner versehentlich in die falsche Dimension katapultieren lassen. Auch an der Schule gab es interessante Neuigkeiten. Brakebills war offenbar auf internationaler Ebene zu einem ernstzunehmenden Welters-Gegner geworden, dank der Bemühungen eines besonders sportlichen jungen Dozenten. Eines der Baumschnitt-Tiere, ein Elefantenkalb, war aus seiner Hecke ausgebrochen und lief auf dem Gelände Amok, wenn auch sehr langsam, etwa einen Meter pro Tag. Die Biologen hatten schon alles versucht, um es wieder einzufangen und zu bestrafen, bisher jedoch ohne Erfolg.
Die Bibliothek wurde noch immer regelmäßig von unkontrolliert herumfliegenden Büchern heimgesucht. Kürzlich war ein ganzer Schwarm von Asien-Atlanten aufgeflattert, furchterregend groß und schwer wie Albatrosse. Sie hatten den Lesesaal verwüstet, so dass die Schüler unter den Tischen Schutz suchen mussten. Anschließend hatten sie tatsächlich den Weg ins Freie gefunden und sich in einem Baum neben dem Welters-Spielfeld niedergelassen. Aus dessen Ästen hatten sie, babylonisches Gebrabbel krächzend, Passanten belästigt, bis sie vom Regen durchnässt worden waren und sich mürrisch in die Regale zurückgeschleppt hatten, wo sie energisch neu
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