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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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eine
Sprite
am Automaten ziehen, entscheide mich im letzten Moment für die kalorienfreie
Zero
-Version. Zu viel Zucker ist schließlich ungesund.
     
    In einer Ecke knutscht ein Pärchen zwischen toten Tauben: Romantik nach Frankfurter Art.
     
    Gestresst wirkende Bullen durchkämmen die Bahnsteige. Wen die suchen weiß ich. Kein gutes Gefühl. Ich halte gebührenden Abstand.
     
    Die U-Bahn kommt. Ein fünffacher Mörder steigt zu und niemand reagiert. Gestärkt durch die Erfrischung habe ich mittlerweile sogar den Mut, mich trotz Blutgestank zwischen die Leute zu setzen. Stehen kann ich mit dieser Hüfte nämlich kaum mehr.
     
    Um die Schmerzen zu verdrängen beantworte ich innerlich Journalistenfragen in einem Interview und komme mir dabei vor wie Hans-Jürgen Rösner 1988 in Gladbeck.
     
    „Wie fühlt es sich an, fünf Menschen getötet zu haben?“
     
    „Es fühlt sich nicht an, als wäre das wirklich passiert. Irgendwie irreal das Ganze. Was ich spüre, ist eine seltsame Leere, sonst nichts.“
     
    „Das Motiv Ihrer Morde war Rache. Ihre Rache ist geglückt, wie befriedigt sind Sie jetzt?“
     
    „Ich hätte mir mehr Befriedigung erhofft. Ja, Sinas Vergewaltiger haben bekommen, was sie verdient haben. Und ich habe die Aktion überlebt und konnte flüchten. So weit, so gut.
     
    Trotzdem: Was bleibt, ist Sinnlosigkeit.
     
    Sina wird die Klinik vielleicht nicht mehr verlassen. Und selbst wenn: Sie wird nie mehr so sein wie früher. Nichts kann ungeschehen machen, was passiert ist. Ihr Leben ist zerstört.
     
    Meins natürlich ebenfalls. Man wird niemals aufhören, mich zu jagen. Die Bullen oder Halils Familie, früher oder später werden sie mich erwischen. Und: Ich bin kein Arzt, aber meine Hüfte fühlt sich nicht gerade harmlos an. Ohne Krankenhaus könnte die Sache bald haarig werden.
     
    Alles in Allem sieht die Zukunft also nicht unbedingt rosig aus.“
     
    Ich bedanke mich fürs Interesse, steige aus der Bahn und hinterlasse ein Muster auf dem Sitz. Ich hoffe sehr, dass ich nicht hörbar vor mich hin gemurmelt habe.
     
    In einem Hinterhof im Ostend schaue ich mir meine Wunde genauer an. Die Nacht ist dunkel, aber eine flackernde Funzel in der Ecke genügt, um mir ein Bild zu machen. Der Machetenmann kam noch viel tiefer als ich dachte, das Loch kann man auf- und zuklappen. Die Blutung ist nicht zu stillen und die Hose klatschnass. Normalerweise wäre jetzt wirklich ein Besuch beim Onkel Doktor angesagt — durch meine Handschellenallergie allerdings unmöglich.
     
    Länger kann ich mir meine Hüfte nicht anschauen, ohne dass mir schlecht wird. Ich packe ein und verlasse den Hinterhof.
     
    Eine Gestalt lässt mich zusammenzucken. Mitten in der Einfahrt macht sich eine weißhaarige Frau am Eisenzaun des Vorgartens zu schaffen. Eben war sie noch nicht da. Sie kommt ziemlich seltsam rüber, für weiße Haare ist sie noch viel zu jung. Ich gehe auf sie zu. Sie hängt sich mit den Händen in den Zaun und sieht manchmal so aus, als würde sie in Zeitlupe mit den Eisenstangen einen Walzer tanzen. Betrunken oder halb ohnmächtig, vermute ich. Oder es sind Dehnübungen. Oder alles gleichzeitig. Sie erwidert absolut nichts auf meinen fragenden Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie erstarrt einfach nur in ihren Bewegungen und fixiert mich — so, als wüsste sie, was ich heute getan habe.
     
    Ich verschwinde mit jeder Menge Paranoia im Gepäck. Der Mann, der niemals Angst hat, hat Angst und fängt komische Blicke von Passanten auf. Bin ich etwa schon im Radio und im Fernsehen? Die meistgesuchte Person Frankfurts? Wahrscheinlich ja.
     
    Kein Bock auf so ein Scheißleben. Ein gesuchter Mörder zu sein ist ja schlimmer als ein Promistatus. Vor allem mit aufgeschlitzter Hüfte.
     

12. Deal
     
    Klack, klack, klack.
     
    Es ist drei Uhr und Musti begrüßt mich freundlich.
     
    „Hola Cabrón! Alles easy und entspannt?“
     
    Oh ja, und wie.
     
    Ihm irgendwas zu erzählen, kommt nicht in Frage — ich will ihn nicht mit reinziehen. Außerdem sitzt Ira mit uns auf dem Sofa. Ira ist eine gute alte Freundin von Musti und mir, die ziemlich viel kifft und mit der ich immer ein rein platonisches Verhältnis hatte.
     
    „Humpelst du, Cabrón?“
    „Ja, ich hab Rücken.“
    „Was kann ich für dich tun? Was gegen die Schmerzen?“
     
    Ja, was gegen die Schmerzen. Eine Familienpackung Heroin wäre ganz gut. Musti macht noch größere Augen als sonst. Diese Augen haben heute etwas Unheimliches. Ich

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