Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
gehe drei Schritte zurück. Mich beruhigen, die Gegner fixieren, neu ausrichten. Mein Glück dürfte allerdings allmählich aufgebraucht sein …
Die Machete flirrt schon wieder vor meinem Gesicht herum. Meine Augen kommen kaum mit, so flink ist diese Waffe. Dagegen ist meine Axt so beweglich wie ein Panzer.
Bevor Schlimmeres passiert, gehe ich zum Angriff über. Ich hole aus und versuche den Machetentyp mit einem gewaltigen Hieb aus dem Weg zu räumen. Verfehle ihn kläglich, treffe aber zufällig den anderen, der sich viel zu weit vorgewagt hat. Die Stahlrute zappelt auf dem Boden — samt Unterarm. Das eiskalte Händchen lässt trotz unterbrochener Verbindung zum Hirn nicht los. Aus dem Stumpf schießt es heraus wie aus einem Gartenschlauch. Der Einarmige springt, schreit, versucht sich die neue Körperöffnung abzuklemmen, alles vergeblich. Er fällt auf die Knie.
Diese spektakulären Szenen lenken mich sekundenlang ab, in diesem Moment sticht mir die Machete in die Hüfte. Dank Lederjacke zwar stark abgebremst — trotzdem ein böser Treffer, der mich beinahe zu Boden gehen lässt. Ich sehe ein siegessicheres Grinsen, aber er freut sich zu früh: Dank der dicken Tierhaut geht es weiter.
„Ist das alles, was du drauf hast?“
Meine rechte Flanke brennt wie Feuer, der Stich fühlt sich tief an. Nun, ich hatte doch eh nie wirklich vor, das hier zu überleben, richtig? Vor meinen Augen fängt die Luft an zu flimmern. Erinnerungen an psychedelische Drogen kommen hoch, mir wird wahnsinnig heiß. Statt meiner Umgebung sehe ich nun Sina vor mir. Sina in einem weißen Kleid auf einem unserer Dates, lächelnd und glücklich: Dann Sina im Krankenbett. Ich denke daran, was zwischen diesen Bildern liegt.
Halbblind, angestochen wie ein Schwein und vollkommen außer mir schwinge ich die Axt über dem Kopf und schlage unkontrolliert um mich. Komplett weggetreten hat das Reptilienhirn die Kontrolle über Körper und Werkzeug übernommen, dagegen ist Jack Nicholson in
Shining
die Ruhe selbst. Ich verlasse mich auf meine Ohren, höre Schläge, Klirren, Stöhnen, spüre Widerstand, dann gar nichts mehr.
Als mich meine Augen wieder mit Bildern versorgen, liegen zwei Tote vor mir. Der Anblick ist nicht angenehm, aber beruhigend.
Jetzt ist nur noch einer übrig.
Halil steht am anderen Ende des Raumes — regungslos, in Schwertkämpfer-Position. Das Schwert sieht aus, als könne es eine Feder teilen, die in der Luft schwebt.
Unsere Blicke verkeilen sich so ineinander, dass wir äußerlich nicht reagieren, als plötzlich die Tür auffliegt. Zwei blonde und eine schwarze Professionelle in Miniröcken stöckeln laut schwatzend herein. Klingt wie eine aus Afrikanisch und Russisch zusammengequirlte Fantasiesprache, die allerdings ganz schnell verstummt, als die Blicke der Damen an den Leichen und Blutseen auf dem Boden kleben bleiben. Ihre Münder stehen so weit offen, dass man die Goldkronen zählen kann. Ihre Augen wandern hoch, zu Halil mit dem Samuraischwert, dann zu mir und meiner roten Axt. Wie drei unschuldige Rehe im Fernlichtkegel erstarren sie vor uns, obwohl sie eigentlich flüchten wollen. Ohne die Kampfstellungen aufzugeben, lösen Halil und ich gleichzeitig die Blicke voneinander, schauen kurz zum Eingang und helfen ihnen damit auf die Sprünge. Wenige Momente später fällt die Tür ins Schloss und wir sind wieder allein.
Er springt heran, um mich von oben zu halbieren. Halil scheint nicht nur ein paar japanische Filme gesehen zu haben, sondern mit dem Ding wirklich umgehen zu können. Ich reiße meine Axt nach oben, um mit dem Axtstiel in beiden Händen den Schlag abzuwehren. Das Holz bricht und ich schaue dumm aus der Wäsche, gleichzeitig verliert auch er seine Waffe — schon wieder Glück gehabt. Er hat das Schwert wohl nicht gut genug festgehalten, es landet mehrere Meter entfernt auf dem Billardtisch, schlitzt den Filz auf und locht die schwarze Acht ein.
Wir stehen beide ohne Werkzeug da. Er gerade, ich krumm — habe mittlerweile ganz schön Schlagseite durch den Machetenstich in die Hüfte. Aber noch bin ich nicht am Ende.
♫
„… Down but not out“
(Cro-Mags — Down But Not Out)
Ich sehe ihm in die Augen. Sie kommen mir plötzlich so vertraut vor. Natürlich sehe ich sie nicht zum ersten Mal. Vom Sehen kenne ich Halil schon lange und spätestens durch den Überfall auf mich und das Studieren seiner
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-Bilder hat sich sein Aussehen
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