Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
kann ihnen kaum standhalten.
Musti merkt schnell, dass ich heroinmäßig ziemlich grün hinter den Ohren bin.
„Also pass auf. Das H wird mit Wasser und Zitronensäure auf einem Löffel gemixt und erhitzt, bis die Mischung schön klar und braun wird …“
Kann ihm vor Schmerzen kaum folgen. Hoffentlich kann ich mich nachher noch an seinen Vortrag erinnern.
„Dann zieht man die Lösung in einer Spritze auf, am besten durch einen Zigarettenfilter, damit keine Unreinheiten mitkommen. Sonst kann es gefährlich werden …“
Je gefährlicher desto besser, den Zigarettenfilter werde ich mir sparen.
„Danach kann man es sich in die Vene ballern. Mengenmäßig sollte man vorsichtig sein: Bei einer Überdosis setzt der Hirntod innerhalb von drei Minuten ein …“
Drei Minuten Flugzeit, gut zu wissen.
„Sag mal, Cabrón, was hast du überhaupt vor? Ich mach mir Sorgen. Du weißt schon, so ein Blödsinn, und das in deinem Alter, verstehst du? Das hier …“
Musti zeigt auf zwei Pakete Heroin auf seinem Glastisch.
„Das hier ist nichts für dich. Dir geht’s doch gut, die Weiber rennen dir die Butze ein — also was soll der Scheiß mit dem harten Zeug?“
Er fuchtelt mit seinem erigierten Zeigefinger vor meiner Nase herum.
Eines seiner Telefone klingelt. Ich glaube das für Privatangelegenheiten, nicht das Ticker-Handy. Musti redet arabisch und klingt aufgeregt, aber diese Sprache klingt immer nervös, finde ich. War mir gar nicht mehr bewusst, dass er keine Kartoffel ist. Sein Deutsch ist besser als das der meisten Deutschen, die ich kenne.
Musti muss weg, irgendwas mit Familie. Kennt man ja bei den Jungs, alles für die Familie — selbst mitten in der Nacht. Fünf Minuten, meint er. Ein harter Zug hat sich in seine Stirn eingegraben, er sieht gestresst aus.
Kein Problem, so viel Zeit habe ich noch. Hoffe nur, dass niemand merkt, dass ich blute.
Klack, klack, klack, Musti ist weg.
Ira rutscht näher.
„Du siehst fertig aus. Soll ich dir einen blasen?“
„Was?!“
„Na, blasen — ich blas gerne.“
„Ne, komm, ich hab gerade fünf Leute umgebracht, ich bin echt nicht in Stimmung.“
„Haha, du bist echt ein witziger Typ. Sicher, dass du nicht willst?“
„Ne, lass mal stecken. Hab da mal schlechte Erfahrungen mit gemacht.“
„Womit? Mit Blasen?“
„Nein, mit Sex unter Freunden.“
Genau genommen sogar mit Sex generell. Das Thema ist für mich wirklich erledigt. Freie Liebe und der ganze Scheiß, den ich als Dating Coach gepredigt habe … alles Mumpitz!
Sex sei generell total super und nur Kirche und Gesellschaft hätten uns in Jahrtausenden eingeredet, dass er schmutzig sei, blablabla … Lasst es euch gesagt sein: Sex ist dreckig und was der Papst sagt stimmt! Selbst beim Knutschen sind schon Hepatitis und Herpes drin, von Geschlechtsverkehr ohne Mütze ganz zu schweigen. Tripper, Chlamydien, Warzen, Pilze, HIV, Kinder … Wer sich als häufiger Verkehrsteilnehmer betätigt, der darf sich in regelmäßigen Abständen über nette Mitbringsel aus fremden Betten freuen. Und das ist nicht alles. Laut Umfragen hat sich jeder dritte Brite bereits beim Sex verletzt — das sind 18 Millionen Menschen! Bei uns Kartoffeln sieht’s bestimmt nicht besser aus als bei den Inselaffen. Außerdem erhöht unregelmäßiges Knattern das Herzinfarktrisiko mindestens ums Dreifache. Von psychischen Problemen mal ganz abgesehen.
Dieser ganze Vögelwahn widert mich mittlerweile nur noch an. Alles dreht sich ums Schnackseln. Miteinander zu schlafen bedeutet aber etwas, oder sollte es zumindest, Kruzitürken! Wie die Blonde aus
Vanilla Sky
sagt: Wenn du mit jemandem schläfst, gibt dein Körper ein Versprechen ab. Zugegeben, die Eule ist völlig irre, aber verdammt noch mal — da sie hat recht! Und wenn man jede Nacht jemand anderem etwas verspricht, wird man seine Versprechen nicht halten können!
♫
„Sex is suffering
Bleed the envy
Bleed the jealousy
Bleed the heartache
Call it pleasure
Chew the thorn
I won’t …“
(108 — Thorn)
Klack, klack, klack!
Das Schloss klingt aggressiver als sonst.
Musti kommt zurück.
Er sieht noch viel gestresster aus als vorher. Steckt eine halb aufgerauchte Zigarette in den Aschenbecher und zündet sich eine neue an. Kein gutes Zeichen. Erinnert mich an einen Amokläufer, bevor es rund geht.
„Tot, alle tot“, murmelt er.
Jetzt wird mir
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