Filmwissen
den USA, in steigendem Maße farbige Breitwandspektakel und sogenannte Monumentalfilme, die das Kinopublikum bei der Stange halten sollten. Filme wie Spartaco ( Spartacus, der Rebell von Rom ; 1952, Regie: Riccardo Freda), Teodora, Imperatrice di Bisanzio ( Theodora, Kaiserin von Byzanz ; 1953, Regie: Riccardo Freda) und Ulisse ( Die Fahrten des Odysseus ; 1954, Regie: Mario Camerini) kennzeichneten den Beginn eines kontinuierlichen Anwachsens des Kostümfilms seit Mitte der fünfziger Jahre. Dabei konnte man auf eine lange Tradition im italienischen Film zurückgreifen. Schon in der Stummfilmzeit feierten die Kostümepen des Regisseurs Enrico Guazzoni ( Quo vadis , 1912; Marc Antonio e Cleopatra , 1913; Cajus Julius Caesar, 1914), Mario Caserini ( Gli ultimi giorni di Pompei , 1913; Nerone e Agrippina , 1913) und vor allem Giovanni Pastrone mit Cabiria (1914), dem wohl wichtigsten Film der Epoche, wahre Triumphe. Und auch während des Faschismus hatten pseudohistorische Kostümfilme die größten Erfolge. Aus dieser Zeit stammt Alessandro Blasettis La corona di ferro (1941), der als Meilenstein für die Entwicklung des Genres gilt.
Neben den üblichen Ritter- und Piratenfilmen, Literaturadaptionen und biblischen Themen griff man in den fünfziger Jahren auf einen anderen Zweig zurück, der sich zum erfolgreichsten Subgenre entwickeln sollte: Filme, in deren Mittelpunkt antike Charaktere standen, die von imposanten Muskelmännern dargestellt wurden. Obwohl verschiedene Gestalten und Themen des traditionellen Kostümfilms übernommen wurden, entwickelte der ‹neo-mythologische› Film (wie ihn der Regisseur Vittorio Cottafavi nannte) einen eigenen Stil, der sich in erster Linie an den Produktionsbedingungen und den Erwartungen des Publikums orientierte. Die Filme wurden in der Regel mit einem geringen Budget gedreht, so dass die Filmemacher auf große Schauwerte verzichten und sich auf kleine Effekte beschränken mussten, die allerdings oft äußerst wirksam gehandhabt wurden. Einige Regisseure brachten es zu einer wahren Meisterschaft in der Kompensation der wenigen Produktionsmittel durch filmtechnische Raffinessen (Bildeinstellung, Schnitt etc.).
Die spektakuläre Wirkung für das Publikum bestand vor allem in der überdimensionalen Betonung der physischen Qualitäten der Helden, durch die ihre übermenschliche Kraft und Unbesiegbarkeit legitimiert wurde und die eine Prise zeitgemäßer Erotik und Gewalt in die melodramatischen und abenteuerlichen Elemente einbrachte. Dass sich einige der Filme selbst nicht ganz ernst nahmen und gelegentlich auch parodistische Züge annahmen, ergab sich aus der Notwendigkeit, die Zensur abzulenken, diente aber auch dazu, die häufigen Anachronismen zu verdecken. Denn obwohl der historische Ort eine wichtige Rolle bei der Konstituierung des Genres spielte (man sprach zunächst von Antiken Filmen), interessierten sich die Hersteller kaum für die historische Wirklichkeit. Geschichtlich verbürgte und erfundene Charaktere und Themen waren meist Vehikel für die optische Gestaltung der ungezügelten Phantasie der Regisseure, Autoren und Produzenten, die sich nicht zuletzt auch darin zeigte, dass der ‹neo-mythologische› Film im Laufe der Zeit immer häufiger Verbindungen mit anderen Genres (wie dem Piratenfilm, dem Horrorfilm und sogar dem Western) einging .»
Nun mochte die Phantasie der Regisseure und Autoren auch ungezügelt sein, unerschöpflich war sie gewiss nicht. Vielmehr entwickelte sich der italienische Antikfilm, wie jedes B-Film-Genre, in Serien und Formeln, und immer wieder wurden bewährte Elemente in neuen oder bekannten Variationen aneinandergefügt. Das Urbild all dieser muskelbepackten Helden war Herkules, der menschliche Sohn des Göttervaters Zeus.
«In vielen Herkules-Filmen wurden (…) Elemente der Sage aufgenommen: Der Kampf mit dem Nemeischen Löwen in Ercole l’invincibile ( Der größte Sieg des Herkules ; 1964, Regie: Al World), die Auseinandersetzung mit der Amazonenkönigin Hippolyte in Ercole e la Regina di Lidia ( Herkules und die Königin der Amazonen ; 1958, Regie: Pietro Francisci) oder der Kampf mit dem neunköpfigen Seeungeheuer Hydra in Gli amori di Ercole ( Die Liebesnächte des Herkules ; 1960, Regie: Carlo Ludovico Bragaglia). Eine beliebte Variante war die Verknüpfung mit anderen Gestalten oder Ereignissen aus der griechischen Sagenwelt: In Ulisse contro Ercole ( Herkules, der Sohn der Götter; 1961, Regie: Mario Caiano) verfolgt der
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