Filmwissen
Troia ( Der Kampf um Troja ; 1961, Regie: Giorgio Ferroni) oder Romolo e Remo ( Romulus und Remus ; 1961, Regie: Sergio Corbucci).
Der neomythologische Film war zwar in seiner mehr actionbetonten Form ein genuin italienisches Genre, doch arbeiteten neben einigen Schauspielern gelegentlich auch amerikanische Regisseure in Cinecittà für den italienischen Antikfilm. So inszenierte Curtis Bernhardt Il Tiranno di Siracusa ( Der Held von Attika ; 1961), André de Toth Oro per i cesari ( Das Gold der Cäsaren ; 1962) und Robert Aldrich Sodomo e Gomorra ( Sodom und Gomorrha ; 1962). Aber der Muskelprotz- und Antikfilm italienischer Prägung war etwas anderes als Hollywood im kleinen Maßstab, und es war auch mehr darin als die kindliche Lust an der Zerstörung, die allerdings eine wichtige Rolle im Genre spielt. Der scheinbare Optimismus, der seinen Grund in der schieren Unbezwingbarkeit der Helden hatte, wich gelegentlich einem Hauch von Düsternis und Morbidität. So geradlinig auch die Helden wie Herkules, Samson und Maciste gewesen sein mochten, sie bewegten sich doch in einer Art von kultureller und politischer Endzeit, so wie es die Helden des Italowestern tun sollten, dem sich Regisseure wie Ducio Tessari, Sergio Leone, Sergio Corbucci, Mario Caiano oder Antonio Margheriti in der Folgezeit zuwandten. Und:
«Der italienische Antikfilm (hat) vor seinem Ende durch den Italowestern seine mediterrane Klassizität in zunehmendem Maße mit Elementen mittelalterlicher Düsternis vertauscht» (André Gerely)
Wie der Western ist auch der neomythologische Film eine verständliche soziale Metapher; neben seinem historisch-zivilisatorischen Stolz bildet er die Krisen in diesem Prozess der Kultivierung ab und muss Bilder für den Abschied von früheren, vorrationalen Kulturen finden. Und wie der einsame Westerner ist der muskelbepackte, halbnackte Held des italienischen Antikfilm eine Vermittlung, eine Achse zwischen neuer und alter Kultur, und schon von daher steht ihm ein wenig Wehmut wohl an.
So wie der neomythologische Film frei, säkularistisch und gelegentlich sogar humorvoll mit seinen tradierten Mythen von Macht und Herrschaft umgeht, gleichsam also die antike Mythologie dem Besitz des Bildungsbürgertums entreißt, um sie in gereinigter und von aller Unverrückbarkeit geheilter Form dem Volk zurückzugeben, so säkularisiert und vereinfacht er auch die erotische Mythologie, die in den Sagenstoffen angelegt ist.
«In allen diesen Abenteuern stellt das amouröse Element zwar einen wichtigen Teil, aber nicht unbedingt den wesentlichen. Der vollkommene Held kann weder Sklave der Sinne noch der Gefühle sein und so schwach werden, dass er sich in die Widersprüche einer allzu menschlichen Leidenschaft verstrickt. Durch Schauspielerinnen geringeren Renommees dargestellt (die denkwürdigste blieb Sylva Koscina, die an den beiden ersten Filmen der Serie teilnahm), scheiden sich die weiblichen Figuren in die beiden traditionellen Kategorien der lasziven, treulosen Zauberinnen und der naiven jungen Mädchen, die vom Schicksal verfolgt werden. Kein Regisseur hat einen originelleren oder wenigstens besser durchgezeichneten Heldinnentypus zu schaffen verstanden. Ob sie nun Jole oder Deianira heißen, die Gefährtinnen des Herkules kennen kein anderes Ideal als das Familienleben. Aber diese Huldigung an die traditionellen Institutionen der Ehe und Familie impliziert nicht die Abwesenheit des erotischen Elements, im Gegenteil: sie ist die Voraussetzung, damit dieses sich ungehemmt entfalte. Die Bauch- und Schleiertänze, die Verführungsszenen, die Badeszenen im Freien und in Innenräumen sind nicht mehr zu zählen, und die Milieuschilderung selbst lässt im Übrigen eine weibliche Gewandung zu, die zu den erotischen Zwecken so funktional ist wie nur möglich. Nicht umsonst sind in diesen Filmen die Amazonen fast allgegenwärtig.
Eng verflochten mit der Erotik ist der Sadismus. Die Verwendung der Farbe unterstreicht und verherrlicht diese Verflechtung. In den Schlachtszenen fließt das Blut in Strömen, tränkt die Erde, färbt das Wasser rot. Die Kämpfenden werden von Pferden zertrampelt, lebendig verbrannt, von schroffen Felsen hinabgestürzt, im Moor ersäuft, von Pfeilen und Lanzen durchbohrt. Noch bezeichnender sind die Folterszenen, in denen die Phantasie des Regisseurs sich am meisten austoben kann. Protagonist ist oft eine Frau, die immer wunderschön ist, sei es in der Rolle des Opfers oder des Peinigers: nackt und an
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