Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
Vom Netzwerk:
kürzlich hatte man den Körper eines Mädchens gefunden, draußen
auf dem Feld und nur wenige Schritte von der Friesenpforte entfernt. Sie lag
auf dem Gelände eines Pachthofs, vergewaltigt und erdrosselt. Ihre Eltern waren
angesehene Leute, eine Dynastie von Waffenschmieden, seit Generationen wohnhaft
Unter Helmschläger gegenüber dem erzbischöflichen Palast. Es hieß, der
Leibhaftige habe die Kleine mit einem Zauber hinausgelockt. Andere wollten den
Bauern aufs Rad geflochten sehen, in dessen Feld sie den Leichnam gefunden
hatten. Dabei ging es weniger um die Schuld des Bauern; aber was hatte eine
anständige Bürgertochter tot auf seinem Grund und Boden zu liegen! Zumal sich
kein Christenmensch erklären konnte, was sie so spät dort draußen gesucht
hatte. Hörte man allerdings genauer hin, wusste plötzlich jeder, dass sie sich
mit Spielleuten herumgetrieben hatte und noch schlimmerem Pack, Fetthändlern
aus der Schmiergasse und Gesindel, das man besser gar nicht erst in die Stadt
ließ. Also doch selber schuld. Wer glaubte schon dem Landfrieden.
    Â»Wartet!«
    Heinrich war weit hinter ihm. Mathias stellte fest, dass er dem
Vollblut zu sehr die Zügel gelassen hatte, und ließ es in ein gemächliches
Schritttempo zurückfallen, bis sein Begleiter wieder neben ihm ritt. Sie hatten
jetzt mehrere Höfe zwischen sich und die Stadt gebracht und den Hag erreicht.
Der Mond erhellte die Gegend nur schwach.
    Â»Sollte er hier nicht irgendwo warten?« Heinrichs Stimme zitterte
fast so sehr wie er selber.
    Â»Nein.« Mathias spähte zwischen den ersten Baumreihen des Hags
hindurch. Der Weg verlor sich in völligem Schwarz. »Wir müssen bis zur
Lichtung. Hört, Heinrich, seid Ihr sicher, dass Ihr nicht umkehren möchtet?«
    Â»Was denn, alleine?« Heinrich biss sich verlegen auf die Lippen,
aber es war raus. Kurz besiegte der Zorn seine Feigheit. »Ständig versucht Ihr
mich zu provozieren«, schimpfte er laut. »Als ob ich umkehrte! Als ob mir ein
solcher Gedanke überhaupt käme, hier im Finstern mit Euch eingebildetem Pfau an
meiner Seite, der das Maul zu weit aufreißt –«
    Mathias zügelte sein Pferd, langte herüber und packte Heinrich an
der Schulter.
    Â»Betreffs des Mauls, da solltet Ihr das Eure vielleicht halten. Wäre
ich derjenige, den wir treffen wollen, und ich hörte Euch lamentieren, würde
ich mit Kopfschmerzen das Weite suchen.«
    Der andere starrte ihn wütend und beschämt an. Dann riss er sich los
und ritt geduckt unter den Bäumen durch. Mathias folgte ihm. Die Äste warfen im
Licht der Fackeln tanzende Schatten. Nach wenigen Minuten erreichten sie die
Lichtung und ließen die Pferde halten. Der Wind rauschte durchs Holz, sonst war
nichts zu hören als ein monotoner Uhu irgendwo über ihnen.
    Sie warteten schweigend.
    Nach einer Weile begann Heinrich unruhig in seinem Sattel hin- und
herzurutschen.
    Â»Und wenn er nicht kommt?«
    Â»Er wird kommen.«
    Â»Was macht Euch da so sicher? Solche Leute taugen nichts. Sie sind
heute hier und morgen da.«
    Â»Er wird kommen. Wilhelm von Jülich hat ihn empfohlen, also wird er
kommen.«
    Â»Der Graf von Jülich wusste nicht das Geringste über ihn.«
    Â»Es ist nicht von Bedeutung, was man über solche Leute weiß, nur,
was sie tun. Er hat Wilhelm gute Dienste geleistet.«
    Â»Ich hasse es aber, nichts über andere zu wissen.«
    Â»Warum? Es ist bequemer so.«
    Â»Trotzdem. Wir sollten vielleicht umkehren und das Ganze noch einmal
durchdenken.«
    Â»Und was wollt Ihr dann erzählen? Wie Ihr Euer Pferd durchnässt habt
vor Angst?«
    Â»Dafür werdet Ihr Euch entschuldigen!«
    Â»Schweigt endlich.«
    Â»Ich bin nicht so alt geworden, um mir von Euch den Mund verbieten
zu lassen.«
    Â»Vergesst nicht, ich bin drei Jahre älter«, spottete Mathias. »Und
der Ältere ist immer weiser als der Jüngere. Da ich mich persönlich nicht für
weise halte, könnt Ihr ungefähr ermessen, wo Ihr steht. Und jetzt Ruhe.«
    Bevor Heinrich etwas entgegnen konnte, war Mathias abgestiegen und
hatte sich ins Gras gesetzt. Heinrich beobachtete nervös den Scherenschnitt der
Kiefern um sie herum und spähte nach dem Mond. Er verbarg sich hinter
Schlieren. Hier und da wurde die Wolkendecke von ein paar Sternen unterbrochen.
Diese Nacht gefiel ihm nicht. Genau genommen gefiel ihm

Weitere Kostenlose Bücher