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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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schleppten ihn zum Gatter unter der Fichte, dort ließen sie ihn fallen, er schlug mit dem Gesicht auf den Boden. Aber schon rissen sie ihn wieder hoch.
    Â»Mach auf«, zischten sie, er spürte, dass ihm Blut übers Kinn rann. Er könnte anders klopfen, als er es für gewöhnlich tat. Nur ein- oder zweimal an die Tür schlagen, wie es jemand machen würde, der zufällig vorüberkäme und vielleicht nur etwas fragen wollte. Der Gnom würde dann wahrscheinlich nicht einmal aufmachen. Oder er würde das verabredete Klopfzeichen machen und zusätzlich ein paar Schläge mehr. Dann wären sie drinnen gewarnt.
    Â»Wird’s bald?!« Der Lange trat ihm vors Schienbein und hielt ihm zugleich den Mund zu. Der Schrei endete in einem gurgelnden Geräusch. Giacomo knickte ein, der scharfe Schmerz ziepte bis in die Ohren. Er japste nach Luft. Warum sollte er für den Dottore seinen Kopf hinhalten? Oder für den Plackfisel von Greis, der mit ihm nicht viel Federlesens gemacht hätte, wenn es der Padrone befohlen hätte. Giacomo klopfte an die Tür, so wie er es immer tat. Zweimal lang, viermal kurz. Schneller als erwartet, hörte er die bekannten schlurfenden Schritte, die Tür ging auf, die beiden Männer drängten hindurch. Der, der bisher noch kein Wort gesagt hatte, versetzte dem Alten einen heftigen Schlag, sodass dieser zu Boden sank. Giacomo zuckte zusammen, aber da war kein Mitleid in ihm.
    Die beiden Männer hatten das Tor geschlossen und zerrten Giacomo zum Gartenhaus. Als sie an dem Beet vorbeikamen, fiel es Giacomo wie Schuppen von den Augen. Das war Tabak. Der Alte hatte Tabak gepflanzt! Er war ja auch ständig am Kauen. Und er, Giacomo, hatte geglaubt, die Pflanzen wären fürs Aqua mirabilis! Aber wer weiß, vielleicht tat der Dottore etwas davon rein, wenn er gerade sonst nichts hatte. Fast hätte Giacomo gelacht, aber es gelang ihm nicht. Wenn er den Mund verzog, tat ihm jeder Muskel, jeder Knochen weh. Er blutete noch immer, und in seinem Kopf hämmerte es, dass er fast verrückt wurde. Als sie die Haustür aufstießen, sah er gerade noch das entgeisterte Gesicht des Römers, dann wurde es schwarz um ihn.
    Von weither drangen Laute an sein Ohr, schleppend, wie gezogen, er verstand nicht, was gesprochen wurde, die Worte gaben keinen Sinn, es mussten zwei sein, die redeten, der eine mehr als der andere.
    Er schien in einem riesigen Ei zu liegen, alles war weich und hell, es war schön so zu liegen. Er schwebte in dem Ei, das Ei schwebte mit ihm. Er musste sich nicht anstrengen, es war ein seliger Zustand. Bis jäh etwas knallte. Ein harter Schlag. Eine scharfe Stimme. Das Ei platzte, der Boden, auf dem er lag, war hart und kalt. Er blinzelte. Diffuses Licht fiel auf die Glasballons auf dem Tisch, auf die Kupferkessel, die Pomeranzenschalenpresse. Der schwere Vorhang war zurückgezogen. Der Dottore saß auf einem Schemel neben dem Arbeitstisch, er wirkte seltsam geknickt, ihm gegenüber die zwei Männer, der Große mit einer Latte in der Hand, mit der er auf die Tischplatte gehauen haben musste.
    Langsam kam Giacomo die Erinnerung zurück. Was wollten diese beiden Kerle? Was war mit dem Gnom? Wie lange war er ohnmächtig gewesen? Sein linker Arm tat ihm weh, er merkte, dass er mit dem ganzen Gewicht seines Oberkörpers darauf lag. Allmählich bekamen einzelne Worte, die fielen, einen Sinn. Einmal hörte er den Begriff »Küche«, und der Mann, der ihn vors Schienbein getreten hatte, zeigte mit einer verächtlichen Armbewegung auf die sorgfältig aufgebaute Einrichtung. Vorsichtig versuchte Giacomo, den Arm unter sich herauszuziehen. Nur mit Mühe konnte er sich bewegen. Aber die anderen hatten ihn doch gehört.
    Â»Na, ausgeschlafen?«, feixte der zweite Mann.
    Â»Ganz freiwillig hat er uns deine schöne Bude nicht gezeigt«, sagte er dann zum Dottore. Wenigstens in der Beziehung waren die beiden feinen Herrschaften ehrlich. Dann beachteten sie ihn nicht mehr.
    Wieder begann es in Giacomos Kopf zu hämmern, aber er kroch an die Wand und versuchte, sich aufzusetzen und dem Gespräch der drei Männer zu folgen. Wobei eigentlich nur einer sprach, der Blonde. Er bot dem Römer ein Geschäft an. Ein gewinnbringendes Geschäft mit dem lieblichen Heilwasser. Der Kerl grinste dreckig, als er das Wort »lieblich« sagte. Er gab seinem Gegenüber wenig Gelegenheit zu antworten.

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