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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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mit dem neuen Aqua mirabilis von einer Schulter auf die andere zu wechseln. Wo der Dottore die Ingredienzien immer auftrieb? Er wird erfinderisch sein müssen, heute fehlte im Gartenhaus der Duft von Thymian. Dafür hatte Giacomo einen leicht scharfen Geruch bemerkt. Nicht unangenehm, aber fremd. Und er wird Wasser aus dem Brunnen dazumischen, um das Ganze zu strecken, sagte sich Giacomo. So wie es zu Hause die Nonna gemacht hatte, wenn ihre Heilwässerchen zur Neige gingen. Giacomo war es egal. Hauptsache, die Leute kauften. Vielleicht könnte er den Preis noch ein klein wenig anheben. Wenn er genügend Geld zusammenhätte, würde er sich absetzen.
    Die Glocken der Severins- und Magdalenenkirche riefen die Gläubigen zur Vesper. Ein paar Weiber, den Rosenkranz in den Händen, hasteten an Giacomo vorbei, er fühlte sich nicht angesprochen.
    Â» Süch aan, unse Maatverkäufer !«
    Die Stimme, die von rechts kam, war nicht unangenehm. Der Mann, dem sie gehörte, hielt ihn am Arm fest.
    Â»Dürfen wir sehen, was du heute Schönes anzubieten hast?«
    Der Kölsche, ein blonder Hüne, zwang ihn, seine Kiste auf dem Boden abzusetzen. Ein Zweiter stand daneben, ohne zu reden.
    Â»Ich weiß nicht, was ihr wollt. Ich verkaufe nichts, ich bin Lastenträger, ein einfacher Lastenträger«, stammelte Giacomo.
    Wenn die beiden Kerle von der Stadt waren, Gerichtsbüttel oder Marktdiener, die nach dem Rechten zu sehen hatten, dann war er womöglich das Aqua mirabilis los. Sie hatten nie darüber gesprochen, ob er einen Hausierzettel bräuchte, der ihm den Handel damit erlaube. Er selbst machte für gewöhnlich einen großen Bogen um jeden städtischen Aufseher, und der Dottore dürfte Gründe haben, es genauso zu tun. Aber dieses Mal hatte er wohl nicht genügend aufgepasst. Wahrscheinlich würden sie ihn auspeitschen und aus der Stadt jagen, ihn vorher noch durchsuchen und seinen Sacchetto finden. Die Knie wurden ihm weich bei dieser Vorstellung. Kein armer Kerl wie er besaß so viel Geld. Er konnte es nur gestohlen haben. Seine Ausreden würden sie nicht gelten lassen. Ihm wurde schlecht. Mag sein, dass sie ihn laufen ließen, wenn er es ihnen gäbe. Besser das Geld weg als im Loch hungers sterben.
    Â»Hör auf zu quatschen und komm!« Der, der ihn angesprochen hatte, gab auch die Befehle. Giacomo hob die Kiste auf, die beiden nahmen ihn in die Mitte, der Große legte den Arm um ihn. So wie man es zwischen alten Freunden tut, dachte Giacomo. Dieser Gedanke war ihm vor Kurzem doch schon einmal gekommen. Genauso sah es aus, als Tilman mit seinen Bekannten in der Holzgasse verschwand. Tilman! Der war der Einzige, der von seinen Verkäufen wusste, von seinem Geld. Also doch! Tilman hatte ihn verraten! Giacomo wurde schwarz vor Augen, er stolperte, beinahe hätte er das Aqua mirabilis fallen gelassen. Der zweite Mann fasste ihn am Oberarm, der Druck auf seine Schulter wurde fester. Die beiden führten ihn den Weg zurück, den er gerade gekommen war. Erst als ihnen keine Menschenseele mehr entgegenkam, hielten sie an, nahmen ihm die Kiste ab und brachen sie auf. Gut verpackt und sorgsam in Reih und Glied angeordnet, standen darin mehrere Dutzend Wasserfläschchen. Der Lange pfiff anerkennend durch die Zähne.
    Â»Und nun wirst du uns verraten, wo du das Zeug herhast.« Er nötigte ihm den Kasten wieder auf und stieß ihn unsanft in die Rippen. »Los, zeig uns deine Werkstatt. Mach voran!«
    In Giacomos Kopf arbeitete es. Nicht ihn wollten sie, sie hatten es, warum auch immer, auf das Aqua mirabilis abgesehen. Das war seine Rettung. Er würde ihnen das Gartenhaus zeigen und sich dann aus dem Staub machen. Er war schon viel zu lange in diesem verfluchten Köln. Er hätte schon viel früher verschwinden sollen.
    Nach ein paar Schritten kam die Fichte ins Blickfeld. Sie fiel auf in dieser Umgebung.
    Â»Dort«, sagte er und drückte dem zweiten Mann den Kasten in die Arme.
    Â»Dort ist es, fragt nach dem Dottore!« Er zeigte auf den Baum, dann schüttelte er in einer überraschenden Bewegung den Arm ab, der ihn unter Kontrolle hatte, und verschwand mit einem Sprung zwischen den Weinreben. Das Severinstor war ganz in der Nähe. Nur weg von hier und raus aus dieser Stadt.
    Er kam nicht weit. Der Blonde war schneller. Giacomo schrie, als der Kerl ihm den Arm auf den Rücken drehte, dass die Gelenke knackten. Sie

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