Filzengraben
Entweder er füge sich und arbeite für den Mann, der ihn und seinen Begleiter, dabei deutete der GroÃe auf seinen Konsorten, mit den Verhandlungen beauftragt habe. Es sei auch nicht zu seinem Schaden. Oder ⦠Er machte eine Handbewegung, die nicht weniger eindeutig war als die des stummen Alten zuvor. Seltsam, wie sich die Dinge wiederholten.
In Giacomo arbeitete es fieberhaft. Diese zwei Männer, die ihn vorhin durch die Weingärten gezwungen hatten in einer Art, wie er es schon einmal gesehen hatte, mussten dieselben sein, mit denen Tilman verschwunden war. Tilman, was für ein Lump! Dieser kleine, unscheinbare Mann, der immer so freundlich getan, dem er vertraut und der ihm seine Essensschüssel samt Löffel überlassen hatte! Es war Tilman gewesen, der ihn in die Spielmannsgasse geschickt hatte. Der wusste, was dort ablief. Er hatte herausbekommen â oder vielleicht sogar von vornherein damit gerechnet â, dass er in diese ganze verlogene und zusammengeklaute Wunderwassergeschichte mit hineingezogen werden würde. Er hatte gewusst, zumindest aber geahnt, wie viel Geld damit zu machen war. Es war kein Zufall, dass er Giacomo auf dem Holzmarkt Raub und Totschlag unterjubeln und ihm sein Geld abluchsen wollte. Als es nicht klappte, hatte er seine Leute auf ihn gehetzt.
Die Vorstellung, dass Tilmans Kumpel hier im Gartenhaus dem Dottore gegenübersaÃen, verursachte ihm Ãbelkeit.
Der Dottore erwiderte nichts auf das Angebot des GroÃen. Der herrische Gesichtsausdruck, den Giacomo so gut kannte, war kaum unterdrückter Furcht gewichen. Die Augen des Römers zuckten, die Wimpern flatterten, er hielt sich mit beiden Händen krampfhaft an der Tischkante fest.
»Wer ist euer Auftraggeber?«, fragte er endlich. Er hatte Mühe zu sprechen.
»Das geht dich nichts an.« Der zweite Mann schnäuzte sich in den Hemdsärmel. »Aber einem gewissen Farina soll eins ausgewischt werden.«
Der Lange stieà seinen Gefährten unsanft an.
»Halt dein dämeliges Maul, du Blötschkopp !« Dann kümmerte er sich wieder um den Dottore.
»Du wirst nur mit uns zu tun haben. Aber glaub nicht, dass du mit uns spielen kannst, wir beobachten dich, ohne dass du es merkst.«
Bei dem Namen Farina hatte Giacomo aufgehorcht. Was hatte dieser getan, dass Tilman ihn rupfen wollte? Aber seine erste Begegnung mit dem blasierten Ladendiener von Obenmarspforten hatte Giacomo nicht vergessen. Wie der Herr, so âs Gescherr! Irgendwo hatte er diesen Spruch einmal aufgeschnappt. An jedem Spruch war etwas Wahres dran. Warum also nicht diesem ganzen eingebildeten Kaufmannspack einen Denkzettel verpassen? Mit einem Mal weckten diese merkwürdigen Verhandlungen seine Neugierde.
Auch der Dottore löste sich bei der Erwähnung Farinas aus seiner Erstarrung.
»Wie viel Aqua mirabilis will er haben, Euer ⦠Herr?«, fragte er lauernd.
»So viel wie du zusammenbrauen kannst. Hundert Flaschen, tausend Flaschen, zehntausend. Den Verkauf übernehmen wir. Du wirst sehen, die Leute werden sich auf die kleinen Buteljen stürzen.«
Die Augen des Römers begannen zu leuchten, er setzte sich kerzengerade auf.
»Das bedeutet einen erheblich gröÃeren Bedarf an Waren und Rohstoffen als bisher«, sagte er mit einer Stimme, die den Fachmann verriet. Für eine solche Menge Aqua mirabilis benötige er Weingeist, Zitrusöle, Pomeranzen, Zitronen, Thymian, Rosmarin, Lavendel, und er zählte noch eine ganze Reihe von Zutaten auf, deren Namen Giacomo noch nie gehört hatte.
»Und natürlich Flaschen, Korken, Wasserzettel, Verpackungsmaterial.«
Der Dottore hatte seine Sicherheit zurückgewonnen. Jetzt war er der Kaufmann, der die Bedingungen diktierte. Der scharfzüngige Römer, dessen Jähzorn Giacomo fürchtete, wurde zum gewieften Feilscher, die Worte gingen ihm so aalglatt über die Lippen wie sonst Beschimpfungen und Flüche. Nur sein rechtes Bein wibbelte unterm Tisch auf und ab, und selbst wenn er es einmal für die Dauer von fünf Worten zum Stillhalten bekam, dauerte es nicht lang, und es begann schon wieder zu zucken, ohne dass er es kontrollieren konnte.
Giacomo beobachtete ihn aus halb geschlossenen Augen. Vielleicht war er nie der allmächtige Padrone gewesen, den er Giacomo vorgespielt hatte. Geschickt im Taktieren war er, das musste man ihm lassen. Er witterte günstige Gelegenheiten und
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