Filzengraben

mich abends damit einreibe, weißt du, dann wird der Jupp …«, Janne lachte verschämt, »… dann wird der Jupp ganz närrisch. Und das Fläschchen ist schon fast leer.«
    Sie hatten mit den anderen in der Küche zu Mittag gegessen und sich dann in Annas Zimmer unterm Dach zurückgezogen.
    Â»Und jetzt seid ihr so schlau wie vorher«, folgerte Janne, nachdem Anna ihr alles von dem Welschen erzählt und ihr gezeigt hatte, wie Tilman den Gang des einen Täters nachgemacht hatte, diese schlingernde Bewegung, bei der der linke Arm zuerst nach hinten ruderte und dann im Bogen wieder nach vorn schlenkerte. Der Gängler dagegen, der habe einen gleichmäßigen Gang, und er wippe leicht in den Knien.
    Â»Schön läuft er, ganz leicht und geschmeidig.«
    Â»So genau hast du hingeguckt?«, spottete Janne. Seit sie von den Toten wiederauferstanden war und das duftende Wunderwasser ihr anscheinend unvergessliche Wonnen verschaffte, war sie endlich wieder die lustige, immer vergnügte Janne von früher, mit der Anna alle Träume teilen konnte.
    Â»Er will mich heiraten«, platzte die heraus und deutete auf das neue hellblaue Kleid, das über einem Bügel am Schrank hing.
    Â»Und du, was willst du?«
    Auf dem Sims vor dem geöffneten Fenster stritten drei Spatzen. Anna hatte, als sie hochgekommen waren, Körner ausgestreut. Die Vögel tschilpten und zeterten um die Wette, schlugen mit den Flügeln und hackten aufeinander ein.
    Â»Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Anna.
    Aneinandergeschmiegt, die Decke über die Beine gezogen, saßen sie auf dem Bett und guckten den kleinen Streithähnen zu.
    Â»Weißt du noch, wie wir bei deiner Großmutter im Garten saßen und die Teigschüssel auskratzten?«
    Â»Und du die Prügel bekamst, die eigentlich für mich bestimmt waren?«
    Â»Und wie wir uns den hübschen Cornelis de Zuiten schwesterlich teilen wollten?«
    Â»Und der Arme wusste nichts von seinem Glück!«
    Sie kicherten vergnügt, während sie weiter in ihren Erinnerungen kramten.
    Zwei Stunden waren so vergangen, als Janne aufstand und ihr Kleid glatt strich. Anna begleitete sie nach unten.
    Â»Und vergiss nicht, diesen Welschen zu suchen. Ich sterbe, wenn ich das Tonikum nicht noch mal bekomme.«
    Â»Und wenn du es bekommst?«
    Â»Dann sterb ich auch. Vor Seligkeit.«

ZWEIUNDZWANZIG
    Â»Allora?«
    Der Römer wischte sich sorgfältig die Hände an einem Tuch ab und schloss den dicken Vorhang hinter sich, der den Raum des Gartenhauses in zwei Teile teilte, seit Giacomo überraschend in der Tür gestanden und das Geheimnis dahinter erraten hatte. Nichts mehr war zu sehen von den Körben und Säcken, Flaschen und Tiegeln, in denen der Dottore die zusammengestohlenen Zutaten für das Aqua mirabilis verwahrte. Die feinen Pomeranzen- und Limonenaromen aber ließen sich nicht unterdrücken, auch nicht das Duftgemisch von Thymian, Rosmarin und Melisse. Unschwer erkannte Giacomo auch den Fichtengeruch. Verräterisch hing er im Raum, und verräterisch brodelte eine Flüssigkeit hinter dem gewichtig von der Decke herabfallenden Tuch.
    Giacomo setzte sich erschöpft an einen kleinen Tisch, der zusammen mit den zwei Stühlen das einzige Mobiliar in diesem Teil des Raums war. Müde streckte er seine Beine aus, er wusste nicht mehr, welche Farbe seine Schuhe einmal gehabt hatten, der Straßenstaub hatte sie zu einem undefinierbaren Graugrünbraun verfärbt. Wenigstens hatte sich ein Bauer seiner erbarmt und ihn am Nachmittag von Brühl das letzte Stück bis kurz vor Köln auf einem Karren mitgenommen. Er schnupperte. Das Fichtennadelöl erschlug fast den hellen Ton der Zitrusfrüchte. Aber es belebte ihn.
    Â»Er hat alles abgekauft«, sagte er und zog einen schmutzigen Leinenbeutel aus seinem Bauchladen. Er schüttete die Tageseinnahmen auf den Tisch. Hastig begann der Dottore zu zählen. Zum Schluss schob er Giacomo ein paar Münzen zu, den Hauptteil strich er selbst ein und ließ ihn in der großen Tasche seines Justaucorps verschwinden.
    Â»Gut, Rüsca, gut machst du das. Will er mehr?«
    Â»Ja, bis zum Ende dieses Monats noch einmal ein Dutzend Flaschen und für Mitte Juni noch einmal zwei Dutzend. Der Hof kommt zu Besuch, sagt er. Er verspricht sich ein gutes Geschäft.«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung umklammerte der Dottore