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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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darunter stets ein Exemplar der gesammelten Werke Shakespeares. In dem forensischen Gutachten zum Werwolf, das Friedrich für die Ermittler geschrieben hatte, hatte er sämtliche Teammitglieder aufgefordert, Shakespeare zu lesen, den »besten Psychologen der Menschheitsgeschichte«. Wenn Sie Shakespeare lesen , hatte er notiert, finden Sie alle Höhen und Tiefen, deren die menschliche Seele fähig ist. Das Lachen und die Freude, die Komik und das Absurde, aber auch das Verborgene, Grausame und Unaussprechliche . Insbesondere hatte es ihm die tragische Figur des Macbeth angetan, der von seiner diabolischen Gattin zum Mord am schottischen König angestiftet wurde.
    Von der Faszination für Shakespeare über die Liebe zu Schottland und schottischem Whisky bis hin zu dem Fachgebiet, auf dem Friedrich ein absoluter Experte war, war es nicht weit her, bis er vor ein paar Jahren in den USA seinen Spitznamen erhalten hatte, der zu ihm passte wie kein anderer und mit dem er sich offenbar auch ganz gut anfreunden konnte: MacDeath.
    MacDeath hatte sein neues Büro erst in der letzten Woche bezogen. Nun saß er an seinem eleganten Eichenholzschreibtisch, die dunkelbraune Hornbrille auf der Nase in dem schmalen, ein wenig blassen Gesicht, und hackte eine E-Mail in seinen Computer, als Clara sich in den Türrahmen stellte und zaghaft ans Holz der Türverkleidung klopfte. Friedrich hob den Kopf. Seine feinen Gesichtszüge, umrahmt von kurzen schwarzbraunen Haaren, die an den Schläfen schon einen leichten Graustich hatten, verliehen ihm das schöngeistige Flair eines Mannes, bei dem man das Interesse für die Abgründe der menschlichen Natur auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde. Aber so war es oft. Wie hatte Foucault gesagt? Wahnsinn und Werk schließen einander aus. Oder wie Winterfeld sagte: Wer über das Zersägen von Frauen schreibt, zersägt sie normalerweise nicht selbst.
    »Guten Abend!« Friedrich erhob sich und kam mit federnden Schritten auf Clara zu. Er trug ein weißes Hemd und einen königsblauen College-Pullunder, unter dem er, in bester schrulliger Harvard-Manier, eine rote Krawatte umgebunden hatte. »Sie sind die Phantomdame, richtig?« Er kniff ein Auge zu. »Wir haben in den letzten Wochen zusammengearbeitet, ohne es zu wissen.« Er hatte einen festen Händedruck. Fest, trocken und freundschaftlich. »Chinesische Mauern, wie man so sagt.«
    Clara hielt seine Hand eine Weile und ließ sie dann los. »Winterfeld hat mich eben belehrt, dass die Zahl Vier im Chinesischen als Unglückszahl gilt, weil sie ähnlich klingt wie das Wort für Tod.«
    »Aha.« Friedrich steckte die Hände in die Taschen. »Deshalb sitze ich hier im vierten Stock wohl richtig?«
    »Kann schon sein«, sagte Clara und ließ den Blick durch das Büro schweifen. Hinter dem Schreibtisch stand ein großer Eichenholzschrank, in dem sich die Regale unter der Last schwerer Bücher bogen. Auf dem Schrank stand eine uralte Arzttasche aus brüchigem Leder, daneben ein menschlicher Totenschädel. An der Wand gegenüber dem Schrank hingen zwei sorgfältig gerahmte Poster. Eines zeigte das Jüngste Gericht , Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle; das andere war ein Filmplakat von Titus , der Shakespeare-Verfilmung von Julie Taymor. Auf dem Plakat war Anthony Hopkins als Titus Andronicus zu sehen.
    »Das ist eine hervorragende Shakespeare-Verfilmung«, sagte Friedrich, als er sah, wie Claras Blick auf dem Plakat verharrte, das Hopkins als römischen General zeigte. »Ziemlich blutig und nicht unbedingt so, wie man es von einer Regisseurin erwarten würde, die auch König der Löwen inszeniert hat, aber allein schon Hopkins als Titus Andronicus ist ein Erlebnis. Sie kennen das Stück?«
    Clara zuckte die Schultern, was so viel wie »schon davon gehört, aber kennen ist übertrieben« heißen sollte.
    »Titus Andronicus«, sagte Friedrich und nahm seine Hornbrille ab, »ist ein treuer Vasall des Kaisers von Rom, doch ihm wird übel mitgespielt. Fast alle seine Söhne sind im Krieg umgekommen, und der Kaiser ist der dekadenten Gotenkönigin Tamora verfallen. Auf sein Geheiß werden auch die letzten Söhne Titus’ ermordet, und Titus muss sich eine Hand abhacken lassen, um einen der Söhne zu retten, der dann am Ende doch getötet wird. Außerdem wird Titus’ Tochter Lavinia von Chiron und Demetrius vergewaltigt, den beiden Söhnen der Gotenkönigin. Zum guten Schluss werden ihr die Hände abgehackt und die Zunge

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