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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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wie einen Talisman, als ihr die Vernunft meldete, was ihre Sinne schon die ganze Zeit gesehen und ihr Hirn nur eine Zeit lang gnädig verdrängt hatte: Dies war nicht nur eine Mail. Dies war die zweite Nachricht des Killers.
    An sie.
    Clara war alles egal. Sie bugsierte den Pfeil mit zittrigen Bewegungen auf das PDF. Dann Doppelklick.
    Und schließlich las sie den Text.
    Clara Vidalis,
    es gibt kein Glück ohne Tränen – und kein Leben ohne Tod.
    Sie dachten sicher, Sie hätten mich. Doch Sie haben nicht mehr Erfolg, als der vertrocknete Jakob Kürten noch Blut in seinen Venen hat.
    Was glauben Sie, wie viele Menschen seit Monaten oder Jahren irgendwo in ihren Wohnungen liegen? Menschen, die keiner vermisst, weil mumifizierte Leichen nicht riechen. Die keiner vermisst, weil niemand sie vermissen muss. Weil sie eine nutzlose Verschwendung von Zellmaterial sind, überflüssige Kreaturen, deren Tod allein ein heiliges Opfer ist.
    Haben Sie sich gerade notiert, im Hochsommer auf Weihnachtslichter zu achten, die in einigen Fenstern seltsamerweise immer noch blinken, und schweifen Ihre Blicke gerade über Berlin, über die Tausende von Häusern, von denen Sie nicht wissen, ob nicht hier und dort eines meiner Opfer liegt? Und Sie haben es noch nicht gefunden und werden es auch nie finden?
    Vielleicht finden Sie sich gerade damit ab, dass die Opfer zwar verloren sind, dass Sie mich aber irgendwann fangen können. Den Urheber, das Zentrum.
    Aber das können Sie nicht. Denn es gibt mich nicht. Ich bin das Ungreifbare und das Unaussprechliche. Ich bin das Nichts. Und ich bin das Alles.
    Die Täter, die Sie suchen, sind meine Opfer, und die Mörder, die Sie fangen, sind meine Toten.
    Jasmin war nicht die Erste. Und sie war nicht die Letzte.
    Ihr wolltet mich beschatten und wurdet von mir beschattet. Ihr wolltet mich fangen und werdet von mir gefangen. Und wenn ihr mich töten wollt, werdet ihr getötet. Denn ich bin das Virus, das sich vermehrt und überall ist. Ich bin das Virtuelle, das ungreifbar ist.
    Ich bin die einzig wahre Killer Application.
    Ich bin mehr als all die dummen kleinen Kriminellen, die ihr jagt und irgendwann fasst. Diese naiven, schwanzgesteuerten Triebtäter laufen früher oder später in eure plumpen Fallen, weil sie nichts weiter sind als hirntotes, zuckendes Protoplasma. Ich aber bin mehr, ich bin größer, ich bin überall. Ich bin es, der euch die Fallen stellt.
    Denn, wo die anderen nur Schatten sind, da bin ich die Nacht.
    Wo die anderen Mörder sind, da bin ich der Tod.
    Ich bin der Sensenmann.
    Ich bin der Untergang.
    Ich bin der Namenlose .

Zweiter Teil
    FEUER
    Mille piacer’ non vaglion un tormento.
Tausend Genüsse sind nicht eine Qual wert.
    Petrarca

1.
    Nr. 13 war Geschichte.
    Jasmin war nicht nur tot, sondern entdeckt. Er hatte Clara die CD geschickt und dann die Mail geschrieben. Jetzt wurde es spannend. Wie würde sie reagieren? Verängstigt? Beeindruckt? Erschüttert? Würde sie verstehen, warum gerade sie ausgewählt war, oder würde er es ihr noch besser erklären müssen?
    Er hatte die Mail vor einem Café am Flughafen Schönefeld abgeschickt, hatte das WLAN des Cafés benutzt, dann sofort die Verbindung getrennt, hatte das Laptop zugeklappt und war mit Vollgas weggefahren. Er wusste, wie schnell die Polizei eine IP-Adresse herausbekommen konnte, wenn sie wollte; deshalb war es immer ein Risiko, irgendetwas per Mail zu versenden. Man könnte blitzschnell das Café orten, könnte ein Fahrzeug sehen, das davonjagte. Doch um ein Auto effektiv zu verfolgen, musste ein Helikopter her. Helikopter aber waren in der Nähe eines Flughafens nicht zugelassen, da die Einflugschneisen frei bleiben mussten.
    Der Tacho zeigte hundert Stundenkilometer. Schnell genug, um den Flughafen zu verlassen, langsam genug, um nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten zu werden. Er sah, wie die Straße unter den surrenden Reifen verschwand, als würde der Wagen die Fahrbahn fressen. Er hatte die schwarzen Latexhandschuhe getragen und das Laptop auf dem Beifahrersitz verstaut.
    Jakob Kürtens Laptop.
***
    Zehn Minuten später war er zu Hause in dem großen Kellergewölbe, wo der Sarg stand, auf dem sie lag. Seit Jahren. Seit Jahrzehnten.
    Die Flammen zuckten und züngelten um das Gehäuse von Jakob Kürtens Laptop, legten Platinen, Widerstände und Kabel frei, die sich mit einem Zischen verbogen und schmolzen. Er hatte das Laptop mit Benzin übergossen und in den großen Kamin geworfen. Normales

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