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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Feuer war nicht in der Lage, den Körper eines Menschen so zu verbrennen, dass man die DNA nicht mehr ermitteln konnte; das konnte nur ein Krematorium in zwei Stunden bei 800 Grad Celsius. Doch ein normales Feuer war sehr wohl in der Lage, aus einem Computer einen zerbröselten Haufen graublauer Asche zu machen, aus dem auch der beste IT-Experte nichts mehr herauslesen konnte. Er würde die Aschereste mit einem Hammer pulverisieren und draußen im Wind zerstreuen. Jakob Kürten hatte in diesem Computer gelebt, hatte seine perversen Phantasien darin ausgelebt, hatte seine Dates arrangiert und obszöne Fotos von sich verschickt.
    Bis er an den größten Thrill seines Lebens geraten war.
    An ihn.
    Den Namenlosen.
    Der ihn getötet und ausgeweidet, sein Blut abgezapft und seine Seele, die in diesem Computer steckte, verbrannt und pulverisiert hatte.
    Auch Jakob Kürten war nicht der Erste. Und er war nicht der Letzte.
    Er, der Namenlose, war der Seelenfresser des Digitalen Zeitalters. Wie Dämonen den Geist von Menschen besetzen konnten und die Besessenen zu ungewollten Handlungen trieben, besetzte der Namenlose die Identität anderer Menschen, um ihnen seinen Willen aufzuzwingen. Er machte Tote wieder lebendig und verwirklichte in ihrem Namen seinen großen Plan.
    Er blickte auf den Sarg, auf dem sie ruhte.
    Dann öffnete er den Koffer, der auf dem großen Tisch auf der anderen Seite des Kellers gegenüber vom Kamin lag – jenseits des großen Computerterminals an der Stirnseite des Raumes. In dem Koffer befand sich die Ausrüstung für die nächste Jagd. Der Latexanzug, die Maske, die Brille, die Handschuhe – und die restlichen Skalpelle, die Jakob Kürten bestellt hatte. Daneben die zwei Kanister für das Blut und die verschweißbaren Tüten für die Innereien.
    Er schaute auf ein paar Ausdrucke, auf denen die Fotos junger, attraktiver Männer zu sehen waren. Daneben lagen jeweils ein Laptop und ein Personalausweis des Betreffenden. Ebenso EC-Karte, Kreditkarte, Wohnungs- und Autoschlüssel, Informationen zum Mietvertrag, Facebook-Logins und anderes. Sie waren die neuen Identitäten, mit denen er das nächste weibliche Opfer kontaktieren würde.
    Seine Lippen verzogen sich zu einem eiskalten Grinsen.
    »Wer möchte ich heute sein?«, murmelte er vor sich hin und kreiste mit dem Zeigefinger über den Fotos.
    Nach drei Minuten hatte er die Entscheidung getroffen. Er blickte noch einmal zum Sarg, dann in den Kamin, wo das Laptop von Jakob Kürten nur noch eine amorphe, grauschlackige Masse war. Dann ging er zu seinem Rechner am großen Terminal an der Stirnseite des Gewölbes und öffnete eine Seite.
    Dategate.
    Und seine Stimme hallte wie ein Gebet im Kellergewölbe wider: »Zeit für Nummer vierzehn.«

2.
    Die Asche der Zigarette war fast fingerlang, fiel aber nicht ab. Allen physikalischen Gesetzen zufolge hätte sie abfallen müssen, aber sie tat es nicht. Das Phänomen erinnerte Clara an den Vorfall mit einem Mann, der vor ein paar Jahren in seinem Auto verbrannt war, bei vollem Bewusstsein. Er verlor nicht die Besinnung, erstickte nicht am Kohlenmonoxid. Er verbrannte bei lebendigem Leib. Die Feuerwehr war zu spät gekommen, und die Türen des Autos ließen sich nicht öffnen. Der Mann hätte längst tot sein müssen, doch er starb nicht. So wie die Asche nicht herunterfiel, obwohl alle physikalischen Gesetze dafür sprachen.
    Es war Mitternacht. Clara saß auf der Couch in ihrem Wohnzimmer, ein Glas Whisky vor sich und die Zigarette in der linken Hand, während sie mit leerem Blick ins Zimmer starrte, ohne etwas wahrzunehmen.
    Sie hatte vor zwei Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Fing sie jetzt wieder an? Weil sie diese Mail bekommen hatte? Weil dieser furchtbare, eiskalte, identitätslose Killer es irgendwie auf sie abgesehen hatte? Was wollte er überhaupt von ihr? Ihr imponieren? Ihr Bericht erstatten? Sich aufgeilen? Sich ein Lob abholen, wie grandios und gefährlich er war? Oder wollte er sie auf etwas vorbereiten? Dass sie die Nächste wäre? Und dass er sie kriegen würde, Polizeischutz hin oder her?
    Morgen würde sie mit MacDeath sprechen, der in Berlin geblieben war. Sie musste wissen, was das Motiv dieses Psychos sein könnte. Dann aber musste sie erst einmal begreifen, was sie selbst dabei empfand. Und das wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie hier saß, trank und rauchte und Löcher in die Luft starrte, während der Mörder vielleicht schon das nächste Opfer in seiner Gewalt hatte.
    Der

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