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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Sende-Button wie ein Bussard, der aus der Höhe herabstößt, um eine Feldmaus zu fangen.
    Clara hörte das zischende Geräusch, das der Computer von sich gab, wenn eine Mail versandt wurde, während MacDeath sich streckte und zurücklehnte.
    »Tja«, sagte er und verschränkte die Hände, »im Kampf Gut gegen Böse hat das Böse stets mehr Spaß.« Er beugte sich vor und blickte auf die Kopie der Ermittlungsakte, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Doch auch wenn ich mich zu den Guten zählen würde, kann ich nicht leugnen, dass hier einiges geboten wird.« Er nahm seine Brille ab und tippte damit auf die Tischoberfläche. »Ich hatte gedacht, der Werwolf wäre schon etwas Besonderes, und der ist erst eine Woche her.«
    Clara erkannte mit Erschrecken, dass MacDeath recht hatte. Es war erst am vergangenen Freitag gewesen, als sie diesen Verrückten hochgenommen hatten, in einem Meer aus Blut und Knochen, mit einer zerstückelten Leiche und einer noch lebenden, völlig traumatisierten Geisel. Clara hatte ihn erschossen. Sie hatte dem Bösen direkt ins Auge geblickt und Bernhard Trebcken, genannt der Werwolf, in dem Moment, als das Zischen des Schusses aus dem Schalldämpfer ertönt war, ein One-Way-Ticket direkt in die Hölle verpasst.
    »Aber jetzt dieser Typ«, unterbrach MacDeath ihre Gedanken. Sein Blick huschte über einen Ausdruck der Mail, die Clara gestern Abend erhalten hatte. »Der Namenlose.« Er hob die Brauen und trank behutsam einen Schluck heißen Tee. »Ich mache mir den Tee immer selbst«, sagte er. »Earl Grey, so richtig mit Aufguss und allem. Der Tee, den ihr hier habt«, er zeigte mit dem Finger ein Stockwerk nach unten zur Küche im dritten Stock, »ist eine Katastrophe. So in etwa muss der Tee bei der Aum-Sekte geschmeckt haben. Sie wissen schon, diese Verrückten, die den Gasanschlag auf die U-Bahn in Tokio 1995 verübt haben. Die Novizen wurden gezwungen, ihren Tee mit dem Wasser zu kochen, in dem vorher der Oberguru der Sekte gebadet hatte.« Er hob die Tasse. »Darum Earl Grey. Möchten Sie auch?« Clara lächelte und schüttelte den Kopf. Sie hatte bereits ihre Koffein-Infusion gemeinsam mit Winterfeld am offenen Fenster hinter sich. Und zu viel Kaffee war auch nicht gerade das, was der Arzt ihr bei ihrem Magen raten würde – von Whisky und Zigaretten ganz zu schweigen.
    »Danke«, sagte sie. »Erst mal nicht.«
    »Der Namenlose«, wiederholte MacDeath, offenbar froh darüber, dass die administrative Tee-Frage schnell und ohne Aufwand erledigt worden war. »Überall und nirgends. Immer und niemals. Er ist nur dann sichtbar, wenn er tötet.«
    »Wie die U-Bahn, die an der Choriner Straße an die Erdoberfläche kommt«, sagte Clara. »Sie ist immer da, aber nur zu sehen, wenn sie aus dem Dunkeln kommt.«
    »Guter Vergleich«, sagte MacDeath und betrachtete abwechselnd die zwei Bilder, die hinter Clara an der Wand hingen. Das Titus -Plakat mit Anthony Hopkins und das Jüngste Gericht von Michelangelo. Dann fuhr er fort: »Robert Ressler hat mal gesagt, dass ein normaler Mensch – und das gilt auch für Profiler – niemals genauso wie ein Serienkiller denken kann, weil er dann selbst einer wäre. Er kann aber die blutigen Schuhe eines solchen Monsters benutzen und einige Zeit darin laufen.«
    »Und wenn Sie in solchen Schuhen laufen?«, fragte Clara und schlug die Beine übereinander. »Was sehen Sie dann?«
    »Ich sehe zunächst einmal verschiedene Arten von Serienkillern. Es gibt die, die in blinder Raserei irgendwelche Triebe zu befriedigen versuchen und das nur für sich tun. Unser Werwolf war so einer. Ich glaube nicht, dass jemals eine Frau freiwillig Sex mit ihm hatte. Er hat die Frauen entweder vergewaltigt oder bezahlt. Und die allermeisten hat er missbraucht und getötet.«
    »Zu diesem Typus gehört unser Mann nicht, würde ich sagen.« Der Namenlose erschien Clara ausgesprochen diszipliniert, von einer eiskalten, sadistischen Ruhe, die fast noch unheimlicher war als die blindwütige Raserei des Werwolfs.
    »Ganz bestimmt nicht«, pflichtete MacDeath ihr bei und kaute auf dem Bügel seiner Hornbrille. »Und auch wenn auf den ersten Blick alles nach sexuell motivierter Gewalt aussieht – es ist halt nur der erste Blick. Auch wenn er Frauen umbringt und Sperma von einem anderen Opfer in deren Vagina platziert, um die Ermittler zum Narren zu halten und eine Vergewaltigung vorzutäuschen, hat die Wahl seiner Opfer – homosexuelle SM-Fetischisten und attraktive Frauen – doch

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