Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Zweck getötet wurde, ist angeblich in der Lage, verlorene Seelen zu beschwören.«
»Ein okkultistischer Killer?«, fragte Clara. »Ein Geisterbeschwörer oder Satanist?« Sie war sich nicht sicher, ob das zu der kühlen, rationalen Herangehensweise des Mörders passte.
»Das muss nicht sein«, sagte MacDeath, »aber es besteht die Möglichkeit, dass er die Morde zu Ehren eines anderen begeht. Das Filmen des Mordes, der liturgieartige Abschied des Opfers, das Blut und die Innereien, die er mitnimmt ... Vielleicht für Gott, vielleicht für Satan, vielleicht für jemand anderen.«
Clara suchte fieberhaft nach dem Gedanken, der ihr vorhin durch den Kopf gegangen war und der nicht wiederkehren wollte, während sie MacDeath mit einem Ohr zuhörte.
»Was ist mit mir?«, fragte sie. »Warum ich?«
MacDeath ging wieder zum Schreibtisch und ließ die rote Ermittlungsakte durch die Finger gleiten. »Ich kenne Ihre Geschichte«, sagte er. »Ich weiß in etwa, was mit Ihrer Schwester passiert ist. Und ich denke, bei allem, was Sie bisher in Ihrer Laufbahn als Kriminalbeamtin durchgemacht haben, ist der Verlust Ihrer Schwester an diesen Kinderschänder Ihr größtes Trauma.« Er tippte auf die Akte. »Und Sie fühlen sich nach wie vor schuldig, nicht wahr?«
Clara spürte ihr Herz schneller schlagen und ballte die Fäuste. »Sie meinen, so wie er sich schuldig fühlt? Deshalb die Opferungen? Die Innereien und das Blut? Aber woran ist er schuldig?«
»Möglicherweise ist das alles Spekulation«, sagte MacDeath. »Leider besitzen wir keinerlei Informationen über den Killer und wissen nicht einmal ansatzweise, wo er herkommt und wie seine Vergangenheit aussieht. Aber vielleicht bringt er aus einem ähnlichen Grund Frauen um und nimmt ihr Blut und die Innereien mit, wie Sie nach dem Verlust Ihrer Schwester beschlossen haben, Serienmörder zu jagen.«
»Sie vergleichen mich mit diesem Killer?«, fragte Clara empört und stand auf. Ihre Hände waren feucht und zitterten.
»Indirekt, ja.« MacDeath setzte sein freundliches Lächeln auf, bei dem man niemals glauben würde, in welche Abgründe seine dunklen Augen schon geschaut hatten. »Er tötet Frauen, um etwas gutzumachen. Sie töten Killer, um etwas gutzumachen.«
Clara verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte sie sich vor dieser schockierenden Behauptung schützen. »Sie meinen, man kann den Killer und mich vergleichen?«
MacDeath zuckte die Schultern. »Man kann nicht, man muss.«
Clara wollte gerade wütend das Zimmer verlassen, als der Gedanke, dem sie die ganze Zeit hinterhergejagt war, unvermittelt Gestalt annahm. Mit einem Mal lag er vor ihr, kristallklar, und sie ergriff ihn mit beiden Händen.
»Die Käfer!«, sagte sie.
»Wie bitte?« MacDeath wirkte irritiert.
Clara hatte allen Zorn vergessen. »Sie sagten, der Mörder will irgendetwas gutmachen, genau wie ich etwas gutmachen will. Und unser Problem ist doch, dass wir nicht die geringsten Anhaltspunkte haben, wer dieser Killer ist. Richtig?«
MacDeath nickte. »Richtig.«
»Und er ließ das Opfer etwas sagen.« Clara ging im Zimmer auf und ab, während sie verzweifelt versuchte, den Gedankenstrom nicht abreißen zu lassen. »Er ließ Jasmin sagen, sie sei nicht die Erste und nicht die Letzte.« Jetzt durchbohrte sie MacDeath mit Blicken. »Die Erste! Die Erste!«
Es schien ihm zu dämmern. »Sie meinen, er hat das erste Opfer ...«
»Genau. Er hat es vielleicht ebenfalls mumifiziert.« Claras Blick irrte ruhelos durch das Büro. »Vielleicht sogar mit denselben Käfern, je nachdem, wie lange dieser Mord her ist.«
MacDeath stürzte den Tee herunter und schüttelte den Kopf. »Könnte sein, Kollegin! Immerhin haben wir damit eine Spur.«
Clara fuhr fort: »Die Rechtsmedizin muss sofort sämtliche Käfer untersuchen. Wenn wir in einem von ihnen DNA finden, die nicht mit der von Jasmin Peters oder Jakob Kürten übereinstimmt, kann uns das auf die Fährte der früheren Opfer führen, vielleicht sogar des ersten Opfers.«
MacDeath zog grübelnd die Stirn in Falten.
»Zugegeben, die Wahrscheinlichkeit ist gering. Aber da wir nichts haben, was uns zum ersten Opfer führen könnte, bleibt uns nichts anderes übrig.« Er griff zum Telefon. »Und das erste Opfer ist wichtig. Der erste Mord ist wie der erste Sex.« Er wählte die Nummer der Rechtsmedizin. »Den vergisst niemand. Und jeder Killer kehrt immer wieder an die Stätte seines ersten Mordes zurück. Oder zu seiner ersten Leiche.«
5.
Ingo
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