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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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etwas Moralisierendes, Anklagendes und Strafendes. Deshalb sind sein Modus Operandi, seine Art zu kommunizieren und seine unglaubliche Geduld das genaue Gegenteil eines triebfixierten, desorganisierten Spontantäters.« Er machte eine kurze Pause, als suche er nach dem richtigen Wort. »Trotz des sexuell konnotierten Milieus, in dem er seine Opfer trifft, zum Beispiel Dating- und SM-Webseiten, hat sein Handeln etwas zutiefst ...«
    Clara beendete den Satz: »... Asexuelles?«
    MacDeath nickte. »Bingo. Und das ist bei Serienmördern sehr ungewöhnlich. Möglicherweise empfindet er Sexualität als etwas Krankes, Schmutziges und Schmerzhaftes, vielleicht aufgrund traumatischer Erfahrungen in der Kindheit.« Er ordnete die Blätter auf seinem Tisch. »Und das bringt uns zur zweiten Gruppe von Serienkillern. Die, nennen wir sie mal so, pädagogischen Serienkiller, die ihr Machwerk als demonstratives Rache-Epos oder auch als Gesamtkunstwerk der Gesellschaftskritik sehen. Die auf irgendetwas hinweisen wollen, was ihnen sehr am Herzen liegt, wobei sie ihre Botschaft nicht direkt übermitteln können, sondern mit Taten unterfüttern müssen, um vor sich selbst nicht als Versager dazustehen.«
    »Eine seltsame Form von Pädagogik«, sagte Clara. Vor ihrem inneren Auge blitzte wieder der Film auf der CD auf, das Messer und die millimeterbreite Öffnung in der Kehle, aus der eine Sekunde später das Blut hervorsickerte, zuerst langsam und unsicher, dann schneller.
    MacDeath nickte und hantierte an der Höhenverstellung seines Drehstuhls. »Wenn Sie sagen, dass das bizarr klingt, dann ist es auch so. Es gibt diese Typen – nicht viele, aber es gibt sie. Sie kennen die Geschichte von Charles Manson und seiner Helter-Skelter-Bande 1969?«
    Clara nickte.
    »Manson wollte, dass alle denken, nicht er und seine sogenannte Family hätten Sharon Tate und die anderen ermordet – es sollte so aussehen, als wären es die Schwarzen gewesen. Die Schwarzen, die den rich pigs eins auswischen wollten. Die Weißen denken, es waren die Schwarzen, und es kommt zu einem Bürgerkrieg Weiß gegen Schwarz. Da Charles Manson glaubte, dass die Schwarzen zu dumm seien, den Bürgerkrieg selbst zu führen, hoffte er, dass sie einen Anführer brauchten. Eine Art Führer, der aus der Anarchie des Bürgerkriegs hervorgeht und eine neue Weltordnung erschafft. Und dieser Mann ist Charles Manson. Wer sonst?«
    »Klingt nach Drittem Reich«, sagte Clara.
    »Das klingt nicht nur so.« MacDeath fuhr sich mit der linken Hand übers Kinn. »Manson war ein großer Fan von Adolf Hitler. Die letzte Schlacht zwischen Schwarzen und Weißen, aus der die Schwarzen unter Mansons Führung als Sieger hervorgehen sollten, nannte er den Helter Skelter. Eine Art Jüngstes Gericht.«
    Clara drehte sich kurz zu Michelangelos Jüngstem Gericht um. Von Charles Manson stand nichts in der Offenbarung. In der gegenwärtigen Ermittlungsakte allerdings genauso wenig.
    »Und was hat Charles Manson mit unserem Killer zu tun?«
    »Mehr als Sie glauben«, sagte MacDeath. »In beiden Fällen ging es nicht um Sex, sondern um Macht.«
    »Wo es um Sex geht, geht es doch meistens auch um Macht«, sagte Clara. »Dominanz, Unterwerfung. Viele stehen sogar darauf, unterworfen zu werden.«
    »Richtig«, sagte MacDeath, »aber dann ist der Sex das Mittel zur Macht, das Werkzeug. Bei Manson und unserem Killer geht es um etwas anderes, was für beide sehr viel mehr bedeutet als nur die kurzfristige Befriedigung irgendwelcher Triebe.«
    Er setzte die Brille auf und fixierte Clara mit festem Blick. Sie ertappte sich dabei, wie sie unruhig auf ihrem Stuhl ruckte. MacDeath fuhr fort: »Manson nutzte die Helter-Skelter-Morde als eine Art Kommunikationsmedium, mit dem er den Weißen sagen wollte: Schaut, was die bösen Schwarzen gemacht haben. Unser Killer«, er lehnte sich zurück, »tut zweierlei. Er legt Rechenschaft ab über das, was er getan hat. Er ist ein wenig wie eine Katze, die ihrem Frauchen ständig tote Mäuse auf die Terrasse legt, ob diese es will oder nicht.«
    »Ständig?«, fragte Clara. »Es werden also noch mehr kommen?«
    »Mit Sicherheit«, sagte MacDeath, »so traurig das klingt. Immer mehr tote Mäuse. Als wollte er ein Lob dafür.«
    »Ein Lob?«
    MacDeath nickte. »Er weiß, dass Sie schon einiges gesehen haben. Er kennt vielleicht sogar die Story mit dem Werwolf, auch wenn sie nicht publik gemacht wurde. Aber unser Mann scheint nicht dumm zu sein. Er weiß also, dass er jemandem

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