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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Lichtenberg, der sich »Wolle« nannte und locker 120 Kilo wog, gab Torino zu verstehen, dass Sonja die Frau seiner Träume sei und dass er sie nach ihrer gemeinsamen Nacht heiraten wolle. Sonja schien das wenig zu gefallen.
    »Ich bin verliebt«, sagte Wolle.
    »Du bist nicht verliebt«, sagte Torino, »du bist bescheuert. Und fett bist du auch.«
    Torino hatte gemerkt, dass es gut ankam, wenn auch die männlichen Zuschauer eins von ihm draufbekamen. Letzten Endes , dachte er, hassen diese Loser einander so sehr, dass sie sich diabolisch freuen, wenn einer von ihnen auseinandergenommen wird. Die römischen Gladiatoren hatten früher schließlich auch ihre Kurzschwerter ins Publikum geworfen, und manchmal hatte einer der Zuschauer dabei ins Gras beißen müssen. Was soll’s . Die Menge will das. Sie verdient das.
    » Aber ich bin verliebt in Sonja!«, sagte Wolle. »Das ist nicht nur für eine Nacht. Das ist was Ernstes!«
    Torino nickte. »Wenn du mit deinen hundertzwanzig Kilo ’ne Frau bespringen willst, muss es was Ernstes sein. Sie könnte ja dabei draufgehen.«
    Wolle wollte etwas erwidern, doch schon war das Mikro woanders.
    »Out!«, rief Torino und senkte den Daumen Richtung Sonja wie ein moderner Kaiser Nero, allein schon, um Wolle zu piesacken. »Out« votierte auch der TED, und unter Sonja öffnete sich eine Falltür, sodass sie kreischend in die Matschgrube fiel.

13.
    Julia wählte Tommys Nummer und spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
    »Tommy hier«, sagte die Stimme. »Bin gerade im Auto, also nicht wundern wegen der Fahrgeräusche.« Eine ruhige Stimme, tief, sonor und recht angenehm. Die meisten Dates waren immer aufgeregt, sprachen hoch und schnell und wollten in einem Satz innerhalb von drei Sekunden ihre Vorzüge anpreisen oder sich für irgendetwas entschuldigen. Hey, sorry, bin vier Minuten zu spät, war eben noch in der U-Bahn, da war kein Empfang, und dann waren die Scheiben mit Graffiti vollgesprüht und so, deshalb hab ich die Station nicht erkannt und bin eine zu weit gefahren, und da musste ich wieder zurück, darum hat’s länger gedauert.
    Hier war es viel kürzer. »Tommy hier.« Kurz und knapp. Und dann noch der Hinweis auf das Auto. Er war unterwegs. Geschäftlich?
    »Hi, Tommy, hier ist Julia.« Sie überlegte nach einer möglichst intelligenten Überleitung. Da ihr nichts einfiel, sagte sie: »Alles klar?«
    »Ich habe recht gehabt«, sagte er anstelle einer Antwort. »In deiner Stimme finden sich all die Facetten wieder, die dich so faszinierend machen.«
    Das gefiel ihr. Sie beschloss, nur das Nötigste zu sagen und zuzuhören. »Welche Facetten?«
    »Du bist vielseitig, intelligent und außergewöhnlich. Du bist auch herzlich, und wenn du Vertrauen gefasst hast, bis du einer der wunderbarsten Menschen auf der Welt. Und du bist aufregend. Eine Frau zum Bewundern und zum Begehren.« Er machte eine Pause. »Und all diese Facetten sind in deiner Stimme vereint.«
    »Du bist süß«, sagte Julia. »Wann sehen wir uns mal?«
    »Ende nächster Woche? Vorher schaffe ich es nicht.«
    »Wollen wir dann noch mal telefonieren?«
    »Klar. Ich muss jetzt leider Schluss machen, da ist ein Call auf der anderen Leitung.«
    »Immer auf Achse?«, fragte sie.
    »Im Moment ist es ein bisschen stressig. Mehrere Deals gleichzeitig. Nächste Woche wird es ruhiger, dann erzähle ich dir davon, wenn du willst.«
    »O ja«, sagte sie. »War nett mir dir. Ich freue mich, dich zu sehen.«
    »Mach’s gut.«
    Sie legte auf und schaute noch einmal auf das Foto bei Dategate und bei Xing.
    Und lächelte.
***
    Auch er legte auf. Das Lächeln, das er aufsetzen musste, um seiner Stimme einen warmen Tonfall zu verleihen, war schlagartig verschwunden. In dem Augenblick, in dem er auf den Knopf des Handys drückte und das Gespräch beendete, sanken seine Mundwinkel herab, als wären sie mit Gewichten beschwert.
    Sein Gesicht hinter der Brille aus mattem Edelstahl war wieder die eiskalte Maske, die nichts zeigte und alles verbarg, während die Scheinwerfer seines Wagens die von Regen durchflutete Finsternis durchschnitten.

14.
    Es dämmerte. Der Himmel war noch immer so grau und regenverhangen wie der Hintergrund des Monitors, vor dem Clara gerade den Bericht für die Ermittlungsakte schrieb, als das Telefon klingelte. Zuvor hatte sich schon Bellmann, der Chef des LKA Berlin, aus Wiesbaden von der Tagung kurz übers Handy bei ihr gemeldet, hatte sich für den Einsatz beim Werwolf-Fall bedankt und war dann

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