Final Cut - Etzold, V: Final Cut
ankündigt, müssen wir als Erste davon wissen.«
Clara wiegte den Kopf. »Wobei wir nach wie vor nicht wissen, ob es ihm darauf ankommt, die Allgemeinheit ins Boot zu holen«, sagte sie. »Bisher scheint er nur mit dem LKA beziehungsweise mit mir zu kommunizieren.«
»Nun ja«, sagte Hermann, »das bedeutet aber nicht, dass er nicht auch mit anderen kommuniziert.«
»Es wäre sehr riskant für ihn, würde er dieses Spiel mit zu vielen Leuten treiben«, sagte Clara. »Irgendwann gibt es eine undichte Stelle, oder er macht einen Fehler. Das Netz wird enger für ihn, wenn er sich zu weit öffnet. Das passt nicht zu seiner vorsichtigen Art.«
»Stimmt«, pflichtete MacDeath ihr bei. »Nur dürfen wir nicht vergessen, dass es bei ihm offensichtlich Dinge gibt, die seiner Vernunft und Rationalität im Weg stehen können.«
»Und welche?«, fragte Clara.
»Dass er wahnsinnig ist.« MacDeath zuckte die Schultern. »Und vergessen Sie nicht, was ich Ihnen heute Morgen über das Opferritual und die Botschaft dahinter gesagt habe. Erinnern Sie sich?«
Clara war ein wenig verärgert über diese Lehrstunde, die MacDeath ihr in Anwesenheit von Winterfeld erteilte, aber das gehörte wohl zu seiner Natur und war nicht böse gemeint. Außerdem erkannte sie erst jetzt, was MacDeath meinte: Das »Pädagogische« hatte er heute Morgen gesagt. Der Killer möchte die Welt über irgendetwas belehren oder auf irgendeinen Missstand hinweisen, wie Charles Manson mit dem Massaker in Bel Air. Clara selbst fand die Bezeichnung »pädagogisch« nach wie vor unpassend und wusste nicht, was an einem Killer, der Mädchen tötete und die Morde filmte, pädagogisch sein sollte, aber vielleicht war es ein neuer Trendbegriff in der Forensik.
»Sie nannten es ›pädagogischen Eifer‹«, sagte sie und blickte MacDeath an. »Er betrachtet sein Opus als Rache-Epos oder Gesamtkunstwerk und will damit auf etwas hinweisen oder irgendetwas korrigieren. Oder beides.«
»Ganz genau«, sagte MacDeath. »Deshalb ist er entweder still, oder er dreht das ganze große Rad.« Er setzte seine Brille wieder auf. »Jetzt stellt sich nur die Frage, was für eine Art von Pädagoge er ist. Ob er eher Einzelunterricht bevorzugt, oder ob er eine Vorlesung im Audimax halten will.«
»Das heißt konkret für uns, dass wir entweder gar nichts erfahren oder alles auf einmal?«, fragte Winterfeld.
»Richtig«, antwortete Clara an MacDeath’ Stelle. »Je nachdem, welche Art der Übermittlung er bevorzugt, wird er seinen nächsten Schritt entweder still und leise und nur mit uns – beziehungsweise mit mir – inszenieren, oder er tut es laut und medienwirksam.«
»Und das heißt?«, fragte Winterfeld, obwohl er es sich wahrscheinlich denken konnte.
»Dass im zweiten Fall die Presse von der Sache erfährt und dass Sie Bellmann am besten schon mal darauf vorbereiten.«
»Immer ich«, murrte Winterfeld. »Wenn es gut läuft, war es Frau Vidalis, wenn es schlecht läuft, ist Winterfeld schuld.« Er kniff ein Auge zu und musterte Clara. »Und wir können wieder mal nichts tun?«
Clara zuckte mit den Schultern und wandte sich an Hermann. »Ich nehme an, in Richtung verstümmelte http-Seiten à la Pädophilen-Netzwerk zu suchen dauert seine Zeit?«
»Mit Sicherheit nicht ganz so lange wie eure DNA-Analyse.« Hermann lehnte sich zurück. »Aber dauern wird es ganz gewiss.«
»Bleibt trotzdem dran«, sagte Clara. »Wir können nur hoffen, dass er einen Fehler macht, der uns einen Vorteil verschafft. Dass wir irgendetwas von ihm finden, das es uns ermöglicht, ihn zu schnappen und den nächsten Mord zu verhindern. Und dass wir die DNA schnell identifizieren. Vielleicht bekommen wir dann Informationen über seine Vergangenheit.«
»Ich sehe schon«, sagte Winterfeld und ging mit den Zigarillos zum Ausgang. »Es ist fast Freitagabend, und das Wochenende ist in ernster Gefahr. Ich gehe eine rauchen.«
17.
»Wo ist er?«, schrie Elisabeth ihn an. »Er ist verschwunden. Du hast etwas damit zu tun, stimmt’s? Du wolltest ihn doch loswerden! Nun sag schon!«
Vladimir musterte seine Schwester, die sich wie eine Rachegöttin vor ihm aufgebaut hatte.
»Ich habe nichts damit zu tun«, sagte er. Gleichzeitig aber fragte er sich, warum er sie eigentlich anlügen sollte. Dieser Kerl, Tobias, hatte sterben müssen ; es war nicht anders möglich gewesen. Warum also sollte er sich verstellen?
Elisabeth kam näher an ihn heran.
»Vlad, sag mir ganz ehrlich, hast du irgendetwas damit
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