Finale Mosel
Spielplatz. Auf der aus einem Baumstamm bestehenden Wippe musste Walde sich mit seinen langen Beinen soweit abstoßen, dass Annika am anderen Ende gerade so unten auf dem Reifen aufkam, der den Stamm am Boden abpufferte.
Als Walde gerade eine grüne Packung mit gepresstem Trockenfutter aus der Lade des Automaten zog, klingelte sein Telefon.
»Du musst dir unbedingt mal TELE MOSEL ansehen.« Es war Gabis Stimme.
»Ich kann jetzt nicht.«
»Sorry, störe ich dich beim Mittagessen?«
»Nee, wir sind am Wildgehege.« Walde folgte Annika zum Gehege des Rotwildes. »Außerdem kriege ich den Sender gar nicht.«
»Dann musst du dir die Online-Ausgabe ansehen. ’Tragischer Tod auf Gladiatorenfriedhof’«, las Gabi vor. »Opernstar René Tiefenbach kam nach seinem gefeierten Comeback bei den Trierer Antikenfestspielen auf mysteriöse Weise ums Leben. Er wurde tot auf einem freigelegten Gladiatorenfriedhof gefunden. Hatte René Tiefenbach wieder einen Rückfall? Der weltberühmte Bariton war zuletzt wegen seiner Drogenexzesse in die Schlagzeilen geraten.«
»Dann wissen die mehr als wir.« Walde beobachtete, wie Annika zögerlich die flache Hand mit dem Futter darauf durch den Zaun streckte. Die meisten Tiere zeigten kein Interesse. Ein Reh ließ sich dann doch herab, ihr die Hand abzuschlecken.
»Gut gemacht«, lobte er.
»Findest du?«, fragte Gabi.
»Das hab’ ich zu Annika gesagt.«
»Der eigentliche Hammer ist das Foto.«
»Ja?« Walde folgte seiner Tochter zu den Wildschweinen.
»Tiefenbach liegt kopfunter in der Grube. Es scheint sich um seine Ursprungslage zu handeln. Von Rettern keine Spur.«
»Wir brauchen das Original und den Fotografen. Hast du schon mit Roth gesprochen?«
»Ich wollte erst mit dir reden.«
Annika war vor dem Maschendraht angekommen, hinter dem die Wildschweine auf brauner aufgewühlter Erde dösten. Sie schüttete sich Futter auf die flache Hand.
»Willst du dich beißen lassen?«, rief er ihr zu.
Sie warf das Futter ins Gehege. Kein Schwein hob überhaupt die Schnauze.
»Wie bitte?«, kam Gabis Frage aus dem Hörer.
*
Am Spätnachmittag trafen Walde und Gabi auf dem Parkplatz vor dem quadratischen zweistöckigen Zweckbau ein. Nur wenige Autos standen neben einem Pkw-Anhänger mit der Aufschrift TELE MOSEL.
»Warst du schon mal hier?«, fragte Gabi.
»Nein.«
Über dem Eingang des Gebäudes war ein Schild mit dem gleichen Logo wie auf dem Anhänger angebracht. In der Nachbarschaft gab es einen Baumarkt und ein paar Gewerbebetriebe. Auf der Ausfallstraße, die von Büschen verdeckt ganz in der Nähe vorbeiführte, rauschte auch um diese Zeit der Verkehr. Ein roter Mini bog in zügigem Tempo auf den Hof ein und hielt neben ihrem Wagen an. Staatsanwalt Roth stieg mit Schwung aus, zog sein Jackett über und schaute auf seine Uhr.
»Dann wollen wir mal!« Mit großen rudernden Armbewegungen setzte er sich zum Eingang des Senders in Bewegung. Walde und Gabi folgten ihm. Nach dem Drücken der Klingel blieb es erst einmal still, aber dann wurde die Tür geöffnet. Es war Eckhard Fürst persönlich, der sie freundlich begrüßte und hereinbat.
Während sie durch einen schlichten Flur gingen, sagte Fürst: »Herr Staatsanwalt.«
»Oberstaatsanwalt«, korrigierte Gabi.
»Herr Oberstaatsanwalt«, hob Fürst von neuem an. »Dürfte ich Sie kurz allein sprechen?«
»Ich glaube, Sie verkennen die Situation«, antwortete Roth scharf. »Wir sind hierher gekommen, und zwar alle drei, um Sie zu sprechen.«
Sie passierten eine Tür, über der das Wort SENDUNG rot aufleuchtete. Zwei Türen weiter wurden sie in ein Besprechungszimmer mit sechs Stühlen um einen runden Tisch geführt. Auf einem Sideboard standen eine Kaffeemaschine und ein Minikühlschrank. In einem Regal darüber stapelten sich Gläser und Tassen.
»Darf ich Ihnen Kaffee, Wasser oder Saft anbieten?«, sagte Fürst. Die drei Besucher lehnten dankend ab und nahmen Platz.
Fürst lächelte nicht mehr ganz so souverän wie anfangs. »Und wenn ich die Aussage verweigere, bis ein Anwalt eingetroffen ist?«
»Das ist Ihr gutes Recht, wenn Sie glauben, sich durch Ihre Aussage selbst zu belasten.« Roths Worte kamen im gleichen Tempo, mit dem er vorhin auf den Hof gedüst war. »Aber wir sind eigentlich aus dem einfachen Grund hier, von Ihnen das Originalfoto des tot aufgefundenen René Tiefenbach ausgehändigt zu bekommen und Näheres über die Quelle zu erfahren.«
»Und wenn sich aus Ihren Ermittlungen doch irgendein
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