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finde-mich-sofort.de (German Edition)

finde-mich-sofort.de (German Edition)

Titel: finde-mich-sofort.de (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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mehr gesellschaftliche Ächtung ertragen, weil sie tat, was ihr gefiel.
    Nur zehn Minuten später standen wir in meinem Wohnzimmer. Während Buchhalter mit kritischem Blick meine Bücherwand inspizierte, legte ich eine Kuschelrock- CD ein, zündete die Kerzen im dreiarmigen Leuchter auf dem Couchtisch an, stellte zwei Gläser und eine Flasche Weißwein daneben, zog die Gardinen zu, und als ich nicht mehr wusste, was ich noch machen konnte, setzte ich mich aufs Sofa und schaute über den Tisch hinweg auf seinen Rücken. Ich lauschte in mich hinein und spürte keinerlei Erregung. Ob
mir gleich beim Anblick seiner Lenden vor freudiger Erwartung schwindlig werden würde? Er tat immer noch so, als
lese er die Buchtitel. Die plötzliche Ruhe und mein bohrender Blick zwangen ihn wahrscheinlich, sich umzudrehen. Gleich würde er sich als brunftiger Hirsch entpuppen! Stattdessen sah er mich wie ein scheues Reh an und flüsterte verschämt: »Wenn ich dich massieren soll, musst du dein Kleid ausziehen …«
    Er entkleidete sich auch und warf die Klamotten auf den Fußboden. Er trug viel zu weite Boxershorts. Beim Anblick solcher Shorts hätte meine Mutter wahrscheinlich ihr tiefes, heiseres Lachen nicht mehr unterdrücken können. Sie ist eine Frau, die sich bei allem Sexuellen ziert, aber bei derbem Slapstick rund um verlorene Schlüpfer brüllend lachen kann.
    Buchhalters dünne, weiße und blond behaarte Beine schauten aus weinrot-knittrig-lappigen Bollerbuchsen heraus. Ich grinste verzeihend, und er setzte sich zu mir. Die knisternde Atmosphäre hatte schon ein wenig unter Buchhalter s Shorts gelitten. Doch was war das? Ein unpassender Geruch irritierte mich.
    »Könntest du bitte die Socken ausziehen?«, fragte ich vorsichtig und mit dem charmantesten Lächeln, welches mir zu Gebote stand. Zur Entspannung der Situation setzte ich nach: »Socken ausziehen und neben das Bett werfen, lieber Buchhalter , ist aber kein Vorspiel!«
    Nach der versprochenen Massage, die er hastig absolvierte, lernte ich von Buchhalter zwar nichts Neues über Kopulation und Erotik, aber immerhin zwei Dinge, die damit in Zusammenhang gebracht werden können:
    1. Meine kleinen Fettwülste, sie liegen so ungefähr in der Nierengegend, nennen manche Deutsche unschön »Schwimmringe«. Obwohl das bei der Größe meiner »Anfasser«, wie meine Mutter sie nennt, eine starke Übertreibung ist. Buchhalter , der Gebildete, wusste dafür die Übersetzung aus dem Französischen: Liebeslenker. Wie passend!
    2. Als ich »meinen« Gelehrten in seiner auf den Hüften hängenden Unterhose sah, lehrte mich sein Kommentar – »Ich habe alle zehn Zentimeter das Gummiband eingeschnitten, dass es nicht kneift!« –: Ich bin nicht der einzige Mensch auf der Welt, der enge Sachen hasst. Schon als Dreijährige trug ich nur Unterhosen, bei denen das Gummiband vorher komplett entfernt worden war.
    Als Buchhalter vierzig wurde, schickte ich ihm eine abschließende SMS : Zum Geburtstag wünsche ich dir viele befreiende Schweige-Urlaube, Tote-Hund-Test-Besteherinnen mit Kinderwunsch und immer frische Socken. Alles Gute! Tatjana.

Berlina
    Wenn ich an Buchhalter denke, fällt mir Berlina ein – wegen der Zigaretten, die Buchhalter im Restaurant vergessen hatte. Wenige Tage nach dem ersten Buchhalter -Treffen hatte ich ein Date mit Berlina , wieder beim Italiener im Nauener Tor.
    Wir hatten nach Sympathie-Bekundungen via Mail zu Verabredungszwecken telefoniert.
    »Tach, ja … ach, du bist ditte. Bin total im Stress, ey. Meine Tochter is da. Ick bin völlig fertig«, rief mir eine heitere Stimme durchs Telefon zu.
    »Nanana«, gab ich zurück, »mach dir mal keine Sorgen. Das ist in deinem Alter völlig normal!«
    »Nenene, da ha ick ’n Kumpel jefragt. Der war erst dreißig, als er sein Kind jekricht hat, und der musste ooch Mittagschlaf machen, liecht also nich am Alta, so!«
    Ein Typ vom Prenzelberg. »Aus’n Osten, dasde vastehst!« Und nun saß er hier. Ich sollte das Lokal aussuchen. »Bloß nich so schicki-micki, das de klar siehst!«, hatte er nur gesagt.
    Vor dem ersten Aufeinandertreffen fürchte ich mich immer – ich könnte ja an einen Psychopathen, Gangster oder Massenmörder geraten.
    An diesem warmen Nachmittag waren viele Menschen unterwegs, eine bunte, fröhliche Menge. An einem Tisch in der Sonne vor dem italienischen Restaurant wartete auf mich kein Psychopath, sondern ein Psychologe. Ich erkannte Berlina sofort. Ein großer schlanker Mann, der, wie auf

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