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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Inkubus durch mein offenes Schlafzimmerfenster geflogen und hat mich im Schlaf geschwängert? Ehrlich, warum tut das Schicksal mir das an? Am liebsten würde ich das Diakoniekrankenhaus verklagen, weil die ganz eindeutig mein Baby vertauscht haben müssen. Aber mein Fela war doch bei der Geburt dabei und hat alles im Bild festgehalten. Mein süßer, mandeläugiger Wonneproppen kam aus mir raus, da gibt es keinen Zweifel. Scheiße. SCHEISSE ! Was soll ich nur tun? Fela redet kein Wort mehr mit mir. Meine Eltern können mir nicht mehr in die Augen schauen. Alle behandeln mich wie eine moralisch Aussätzige. Und ich weiß doch selbst nicht mal, was ich denken soll! Bin ich im falschen Film? Kann mich mal jemand kneifen?
    Ich bin ja so unglücklich!!!
    Karina schniefte ein wenig, wischte sich dann die Nase an ihrem Bigshirt-Ärmel ab und zog das Shirt nach oben. Darunter kam Fela junior zum Vorschein, der heiter nuckelnd an ihrer rechten Brust lag. Nackt, wie er war, sah er mit seinem dicken Babybäuchlein aus wie ein junger chinesischer Buddha.
    Karina seufzte. Ihre Zukunft war alles andere als rosig. Es würde definitiv nicht leicht werden. Ihr Studium an der Fachhochschule hatte sie noch nicht beendet und als Alleinerziehende musste sie sehen, wie sie über die Runden kam.
    Klein Fela saugte kräftig. Er war ein ziemlich großes Baby mit einem gewaltigen Appetit. Ein veritabler Felinator.
    Karina musste – trotz allem – glücklich lächeln.
    Und bekam gleich darauf Hunger. Wer stillte, brauchte Kraft! Darauf einen Lkw (für Nicht-Schwaben: ein »Leberkäsweckle«).
    Mitsamt ihrem Baby an der Brust stapfte Karina die knarzenden Treppen des Seifferheld-Hauses hinunter zur Küche.
    Das Wort »Vegetarier« kommt aus dem Indianischen und heißt »zu blöd zum Jagen«.
    Mit der
Air France
von Réunion nach Paris (Bordmenü: Hummerterrine, Lachs Julienne und Gemüsepasta), mit der
Lufthansa
von Paris nach Frankfurt (hausgemachter Fleischsalat mit Käse im Einmachglas), mit dem ICE der
Deutschen Bahn
von Frankfurt nach Stuttgart (Sülze vom Gockel nach Alfons Schuhbeck im Bordbistro) und mit der vergleichsweise siffigen Bummelbahn, die hier »Murrbahn« hieß, weiter nach Schwäbisch Hall-Hessental (Sandwich mit Formfleischschinken in der Papphülle vom »mobilen Kaffeemann«).
    François Arnaud, gelernter Koch, den Schwäbisch Haller Bürgern besser unter seinem Pseudonym »Bocuse« bekannt, sprang pappsatt und reisemüde aus dem überalterten Regionalzug, holte tief Luft und rief: »Ah, endlisch wiedèr zu Hausé!«
    Als Gepäck hatte er nur einen Rucksack mit dem Allernotwendigsten dabei sowie das signierte Autogrammfoto von Starkoch Jamie Oliver, das er wie eine Reliquie verehrte. Mehr hatte er nicht einpacken können, als man ihm zutrug, dass die Polizei sein neueröffnetes, allerdings illegales Wettbüro auf der französischen Insel Réunion im Indischen Ozean stürmen wollte. Aber wenigstens hatte er es geschafft. Er war rechtzeitig geflohen und stand nun als (noch) freier Mann auf deutschem Boden.
    Zu Fuß – seine finanziellen Verhältnisse waren mit Fug und Recht »klamm« zu nennen – marschierte er in Richtung Innenstadt zu dem Mann, an den er seit seiner überstürzten Abreise ununterbrochen gedacht hatte, dem Mann, der ihm einen Neuanfang ermöglichen konnte. Bocuse schwebte eine Kneipe vor, ein französisches Bistro, gewissermaßen Pariser Flair in der schwäbisch-hohenlohischen Provinz. Mit ihm, Bocuse, als »Patron«.
     
    Eine Dreiviertelstunde später stand er vor dem leicht schiefen Fachwerkhaus im unteren Teil der Bahnhofstraße. Bocuse drückte vorfreudig lächelnd auf die Klingel. Gleich darauf summte ein Summer, und die Haustür sprang auf. Bocuse stieg in den zweiten Stock und stieß die angelehnte Wohnungstür auf.
    »Vorsicht! Nicht hinauslassen!«, hörte er eine panische Männerstimme schreien.
    »Was? Wen?« Bocuse sah nichts. Er hörte nur ein Summen, das er für den Nachhall des Türöffners hielt. Und dann war es auch schon zu spät.
    »Verdammt, Bocuse«, murrte Klaus enttäuscht, der – nur karierte Boxershorts tragend – aus den Tiefen seines Lofts auftauchte, im Arm seine Lebensgefährtin Mimi, die ein weißes Spitzennachthemd trug.
    »Quoi?« Bocuse verstand nur Bahnhof.
    »Ich hatte es geschafft!« Klaus lächelte mannhaft seine Enttäuschung weg. »Sie haben es tatsächlich getan.«
    »Wer hat was getan?« Bocuse drehte sich um, sah aber nichts.
    »Meine Drosophilae!«

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