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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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überspielen.
    Seifferheld winkte ab. »Alles Teil des Jobs.« Er sammelte sich innerlich und versuchte, an der Stelle weiterzumachen, an der er aufgehört hatte. »… zum Invaliden geschossen wurde und nach dem künstlichen Koma im Krankenhaus aufwachte, wissend, dass ich nie wieder würde arbeiten können, da …«
    Im selben Tonfall hatte er früher in seiner Schulzeit am Gymnasium an St. Michael immer Homer deklamiert:
Schon zween Tage trieb er / und zwo entsetzliche Nächte / in dem Getümmel der Wogen / und ahnete stets sein Verderben.
Und wie damals wurde er auch jetzt ständig unterbrochen, aber Gott sei Dank nur durch Frau Söback und nicht durch die Papierkugelgeschosse seiner Mitschüler, die verdammt gut zielen konnten und immer da trafen, wo es weh tat.
    »Ja, ja, furchtbar, ganz furchtbar. Und in diesem Augenblick wurde Ihnen klar, dass es in Ihrem Leben nur noch eines geben konnte: das Sticken.« Frau Söback legte ihm die rechte Hand auf den Unterarm. Beim Sprechen wippte ihr dunkler Pony über den großen, gletscherblauen Augen. Und in dem Pony hingen immer noch die beigefarbenen Hundehaare von Schwerenöter Onis.
    Seifferheld konnte seinen Blick kaum abwenden. Es war ein wenig wie bei Loriot und der Nudel. Ob er Frau Söback darauf aufmerksam machen sollte? Er zwang sich, wieder ans Sticken zu denken. Wie sehr er sein für einen Mann doch eher ungewöhnliches Hobby liebte, wie es ihn zutiefst befriedigte, wenn er einen bunten Schriftzug oder ein Motiv auf einen unifarbenen Kissenbezug zauberte und somit aus dem Nichts etwas Schönes, Bleibendes erschuf.
    »Sie waren ein Held, die Menschen haben zu Ihnen aufgeschaut, junge Kollegen haben Sie bewundert, und die Bevölkerung hat Sie geliebt!«, deklamierte Frau Söback leidenschaftlich. »Aber dieses Leben der Gefahr war ein für alle Mal vorbei, und so furchtlos, wie Sie sich einst der Welt des Verbrechens gestellt hatten, so furchtlos stellen Sie sich nun Ihrer neuen Lebensaufgabe – dem Sticken!« Frau Söback redete sich richtig in Fahrt. Pony und Hundehaare wippten auf und ab.
    Seifferheld hatte nun gänzlich den Faden seiner auswendig gelernten Rede verloren, aber da Frau Söback mindestens so pathetisch klang wie er, nickte er nur, obwohl in seinen fast 30 Dienstjahren kaum jemand je Notiz von ihm genommen hatte. Das Gefährlichste an seinem Job war wahrscheinlich der Kantinenfraß gewesen.
    »Ich werde das Interview
Ein Mann und seine Mission
nennen«, fuhr Frau Söback fort, die immer genaue Vorstellungen davon hatte, wie ihre Sendungsbeiträge zu klingen hatten, und die sich von der tatsächlichen Faktenlage nur ungern beeinflussen ließ. »Das tönt nach James Bond und hat gleichzeitig den Touch der Innovation. Neue Männer braucht das Land. Und Sie sind einer von ihnen.«
    Die Hand auf seinem Unterarm drückte fest zu.
    Onis, der sich seiner Streicheleinheiten beraubt sah, stand auf und legte Frau Söback seinen riesigen Hundeschädel in den Schoß. Gleich darauf war Seifferhelds Unterarm wieder verwaist.
    »So ein süßes Hundihundi«, flötete Frau Söback und rubbelte Onis’ Fell erneut kraftvoll durch.
    Hundihundi?
    Das war ja wohl eher die passende Bezeichnung für diese knöchelhohen, haarlosen Ratten, die moderne It-Girls fälschlicherweise für Hunde hielten und in ihren Handtaschen herumschleppten. Hovawarts waren dagegen gestandene Gebrauchshunde, die Rüden mit einer durchschnittlichen Widerristhöhe von achtundsechzig Zentimetern und einem Gewicht von gut und gern vierzig Kilo. Da war jedwede Verniedlichungsform ungehörig. Fand Seifferheld. Sprach es aber nicht laut aus, weil sich die gletscherblauen Augen von Frau Söback jetzt wieder scheinwerferartig auf ihn richteten.
    »Besonders bewundernswert finde ich persönlich, dass Sie sich in einer Kleinstadt wie Schwäbisch Hall als Sticker geoutet haben. Männer von Ihrem Standing besticken hier doch keine Kissen, oder irre ich mich da? Haben Sie sich damit nicht wissentlich der Gefahr ausgesetzt, belächelt oder sogar ausgelacht zu werden?«
    Seifferheld unterdrückte einen Seufzer. Es war ihm weiß Gott nicht leichtgefallen, mit seinem ungewöhnlichen Hobby an die Öffentlichkeit zu gehen. Monatelang hatte er selbst seiner Familie gegenüber so getan, als wäre er seit seiner Pensionierung ein begeisterter Hobbykoch. Er war sogar der Männerkochgruppe der Volkshochschule Schwäbisch Hall beigetreten, nur um diese Fassade aufrechtzuerhalten. Aber irgendwann hatte er

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