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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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konnte.
    Außerdem war es verdammt anstrengend, nach 60  Jahren als Single plötzlich eine bessere Hälfte zu haben, und offen gestanden freute sie sich schon auf die drei ehemannlosen Monate. Kein lästiges Hinterherräumen mehr (Helmerich war nicht gerade ein Ordnungsfanatiker, um es mit den Worten der Liebe zu sagen), kein schwieriges Zusammenstellen von Menüfolgen (Helmerich reagierte auf so gut wie alles allergisch und wogegen er nicht allergisch war, das aß er aus moralischen Erwägungen nicht). Natürlich auch keine zärtlichen Gutenachtküsse mehr. Aber Irmi hatte es ohnehin nicht so mit dem fleischlichen Aspekt der Ehe. Sie fand, dass die Libido etwas für junge Paare in der Fortpflanzungsphase war.
    Alte Paare wie sie und Helmerich zogen ihr Entzücken schon aus der Tatsache, dass man abends neben jemand sitzen konnte, der einem bei der Antwort auf die Frage »zwölf waagerecht, Fluss in Asien« auszuhelfen vermochte. Die oft belächelte, aber sehr intensive Philemon-und-Baucis-Form der Liebe eben.
    »Hast du deine Magentropfen eingepackt?«, fragte sie sicherheitshalber.
    Die 12 -Kräuter-Tropfen aus der Löwenapotheke waren das Einzige, was Helmerich Hölderleins Reizverdauungsapparat einigermaßen besänftigen konnte. Sein Magen und sein Darm reagierten hochsensibel auf jede noch so harmlose Gegebenheit: Hunde (er hatte eine Hundephobie), Spinnen (er litt unter Arachnophobie), Enten (Anatidaephobie), seinen Bischof (Angst vor Respektspersonen) und natürlich Nah-, Mittel- und Fernreisen. Andere Allergiker reisten nicht ohne ihren Inhalator, Helmerich reiste nie ohne seine Magentropfen. Zwei Kartons davon hatten sie bereits als Überseefracht zu seiner Missionsstation in Kenia geschickt.
    »Ja, meine Liebe. Und auch eine Schachtel
Apothekers Magenmorsellen.
Ich fühle mich gewappnet.« Tapfer hauchte Helmerich seiner Frau einen Kuss auf die Wange. »Ich werde dich vermissen.«
    »Ich dich auch«, log Irmi frech, aber zärtlich.
    Rubbeldenhund
    »Gott, der ist ja so süüüß!«, flötete Frau Söback vom SWR und rubbelte das beigefarbene Fell von Hovawart Onis. »Gell, das magst du? Ja, das magst du!«, gurrte sie in sein Ohr.
    Onis schnurrte.
    Noch so etwas, was Seifferheld einen Tick peinlich fand: ein schnurrender Rüde. Hatte dieser Vierbeiner denn keine Selbstachtung? Ein rosa Teddy und die Lautäußerungen einer Katze?
    Seifferheld atmete resigniert aus.
    Onis und Frau Söback lagen vor dem Küchentisch auf dem Fliesenboden und betrieben nun schon seit einer Viertelstunde etwas, das man als intensives Kraulen bezeichnen konnte. Oder als heavy Petting. Onis ignorierte sogar völlig seinen rosa Teddy, dem er normalerweise obsessiv verfallen war. Frau Söback war offenbar gut in dem, was sie da tat.
    Siggi Seifferheld kam prompt auf dumme Gedanken. Zur Ablenkung räusperte er sich. Er fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen, aber immerhin waren es
sein
Hund und
seine
Küche, und er sah nicht ein, warum ausgerechnet er das Feld räumen sollte.
    »Sie hatten Fragen zu meinem Stick-Hobby?«, fragte er schließlich plump.
    »O ja.« Frau Söback vergrub ihr Gesicht tief im seidenweichen Hundefell. »Hmm, du riechst gut!«
    Onis, der alte Tunichtgut, quittierte das mit neuerlichem Schnurren. Er hatte vor einiger Zeit eine Berner Sennenhündin besprungen, und aus dieser Verbindung war ein Wurf Mischlingshündchen hervorgegangen. Wenn Seifferheld Frau Söback damals schon gekannt hätte, hätte er ihr zu gern einen davon abgegeben. Damit sie ihre olympiareife Streichelkür zu Hause bei ihrem eigenen Vierbeiner austurnen konnte.
    Frau Söback seufzte und tauchte wieder aus dem Hundefell auf. Beigefarbene Haare hingen ihr am dunkelbraunen Pony, doch sie schien nichts davon zu merken.
    »Wie sind Sie denn zum Sticken gekommen?«, wollte sie wissen, erhob sich, setzte sich Seifferheld gegenüber auf einen der Thonet-Stühle und schaltete ihr kleines, schwarzes Aufnahmegerät ein. Anschließend hielt sie Seifferheld ein Mikro vor den Mund.
    »Nachdem ich seinerzeit durch einen tragisch zu nennenden Berufsunfall während eines Bankraubs zum Invaliden geschossen wurde …«, setzte Seifferheld pompös an. Er hatte da einige Worte vorbereitet.
    »Stimmt!«, unterbrach ihn Frau Söback. »Sie sind ein Held. Ihre Familie muss sehr stolz auf Sie sein.« Sie strahlte. Sie hatte sich aufgrund hoffnungsloser Überarbeitung null vorbereitet, konnte das aber – Vollprofi, der sie war – exzellent

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