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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Sechzehntelsekunde.«
    »Damit haben wir sie in der Tasche«, sagte Halsey. »Das sind noch immer sechs Zehntelsekunden drüber.«
    »Sechs Meter«, stimmte Medina zu. »Eine Ewigkeit.«
    »Und nicht nur das«, fügte Boone hinzu und deutete ins Tal hinab, wo Moriartys Zweispänner in Richtung Canyon City davonrollte. »Achten Sie auf den Wind.«
    Steppenhexen rollten auf die Talmündung zu.
    »Billy Joe hatte Rückenwind.«
    »Wie viel macht das aus?«, fragte Halsey.
    »Zwei Zehntelsekunden, vielleicht drei«, sagte Boone.
    Medina stand auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern. »Marshal, Sie sind ein Mordskerl«, sagte er. »Ich wette, Sie wischen sich den Arsch ab, bevor Sie scheißen.«
    Auch Boone stand auf, zog ein weißes Taschentuch aus der Westentasche und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Woher zum Teufel wissen Sie das?«
    Einen Tag nach diesem denkwürdigen Probelauf begannen die Quoten gegen Billy Joe auf wundersame Weise zu steigen.
    Ein solches Spektakel sollte in Canyon City einmalig bleiben. Es war ganz anders als der Rummel aus Hahnenkampf, Boxen und Sauferei beim Gründungsjubiläum. Dies war kein x-beliebiges Rennen, es war ein Wettkampf zwischen dem Potential moderner Wissenschaft, verkörpertdurch Professor Moriarty und seiner Englischen Methode, und natürlicher, gottgegebener Sportlichkeit in Gestalt des dunkelhaarigen, blauäugigen Buck Miller.
    Der Wettlauf war am 21. August um zwölf Uhr mittags angesetzt, und Boone hatte dafür gesorgt, dass die Main Street bereits eine Stunde zuvor für den Verkehr gesperrt war. Macy war damit beauftragt worden, die Straße mit Hilfe eines kleinen Heers von Chinesen von Pferdemist zu befreien, zu harken und zu ebnen. Dazu hatte Moriarty auf zwei durch Kordeln abgetrennte Bahnen bestanden – Sheffield-Regeln –, und da sich niemand damit auskannte, erklärte er Macy, was zu tun war.
    Es war nicht leicht gewesen, geeignete Kampfrichter zu finden, denn in der ganzen Stadt gab es so gut wie niemanden, der kein Geld im Rennen hatte. Schließlich einigte man sich auf Richter Perry (der keinen Hehl daraus machte, 50 Dollar auf Billy Joe gesetzt zu haben) als obersten Zielrichter und Zeitnehmer und übertrug ihm die Auswahl fünf gottesfürchtiger Nicht-Wetter, die ihre mangelnde Schiedserfahrung mit angemessener Fairness wettmachen sollten. Richter Perrys aus einem Bankangestellten, einem Lehrer, einem Pastor, einem Leutnant der 7. Kavallerie und einem Maultiertreiber bestehendes Team war jedoch bestens vorbereitet. Sie hatten eine Woche lang eifrig geübt und vor der Stadt Rennen mit Kindern abgehalten, die dafür mit Süßigkeiten belohnt wurden.
    Und so zogen sich am 21. August 1875 zwei mit Kordeln abgesperrte, 1,20 Meter breite Bahnen die Main Street entlang – zwei schmale Korridore, in denen sich für wenige Sekunden die Hoffnungen und Sehnsüchte von ganz Canyon City materialisieren sollten. Den ganzen Morgen über schlichen die Leute wie in einer Kirche ehrfürchtig flüsternd daran entlang. Eine Stunde vor Rennbeginn war die Straße komplett leer, und längs der Strecke füllten sich die Gehsteige und die Fenster der Läden, Saloons und Häuser mit Schaulustigen. Eine Viertelstunde vor dem Start hattesich Richter Perrys Team feierlich am Ziel versammelt, und der Schuster Paul Schwarz verglich ein letztes Mal die Stoppuhren – Richter Perry war der Meinung, dass selbst ein Schweizer Schuhmacher mehr von Uhren verstand als die meisten gewöhnlichen Leute.
    Zehn Minuten vor Beginn erklomm Richter Perry die vor dem Last Chance aufgebaute Bühne des »Theater des Westens« und zitierte die beiden Kontrahenten zu sich. Als Erster trat Buck durch die Schwingtüren des Last Chance. Er trug seine üblichen weißen Long Johns, dazu kurze blaue Shorts und seine schwarzen Roebuck-Spikes. Zu tosendem Applaus und mit hochgereckten Armen bestieg er das Podium.
    Dann rief Richter Perry Billy Joe. Als der »Texanische Herausforderer« erschien, ging ein ungläubiges Raunen durch die Menge, und die Damen hielten sich die Augen zu. Billy Joe trug weiße, knielange Shorts, die seine kräftigen behaarten Waden den verdatterten Blicken des Publikums preisgaben.
    Der Richter hob beschwichtigend die Hände. »Billy Joes Kleidung wurde von sämtlichen beteiligten Parteien bereits hinreichend diskutiert, und weder Buck Miller noch seine Unterstützer haben Einwände erhoben. Die Kleidung eines Sportlers unterliegt keinerlei Regeln, von denen des Anstands

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