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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gewogen und das Ergebnis in Moriartys schwarzem Büchlein vermerkt. Dann tauchte Lung Chow den brüllenden Billy Joe zehn Minuten lang in Eiswasser und verpasste ihm eine weitere Massage. Um acht Uhr dreißig saß er dann bei Mulligan’s, kaute altbackenes Brot und halbrohes Hammelkotelett und trank Bier dazu.
    Dann brachte Moriarty seinen Schützling für ein einstündiges Nickerchen zurück ins Last Chance, setzte sich vor die verschlossene Tür und schob Wache. Sechzig Minuten später saßen die beiden in einem Zweispänner, unterwegs zu Billy Joes erstem Zeitlauf in den eine Stunde entfernten Blanco Canyon.
    Niemand erfuhr, wie schnell Billy Joe an diesem ersten Tag im Juli gelaufen war; womöglich blieb selbst dem Allmächtigen ein Blick auf Moriartys Stoppuhr verwehrt. Doch wie auch immer die Zeit gewesen sein mochte (sogar Obadiah Boone wagte nicht zu fragen), bei der Rückkehr sah Moriarty nicht sonderlich glücklich aus und trank an jenem Abend mehr als gewöhnlich. Die Frage, wie Billy Joe sich mache, konterte er knapp mit »Aus Schnee kann man keinen Käsekuchen backen«, und Carl Medina hatte sich den halben Abend den Kopf zerbrochen, was das wohl bedeuten sollte.
    Nach diesem ersten Tag wurde das Training – ähnlich wie bei Buck – zu einem Ritual (die Mittwochsgymnastik ausgenommen). 6:30–8:30 Massage und Schwitzkur bei Lung Chow; 8:30–9:30 Frühstück; 9:30–10:30 Nickerchen; 10:30–12:30 Lauftraining; 12:30–13:30 Mittagessen; 13:30–15:00 Nickerchen; 15:00–17:00 Training in MacysStall; 17:00–18:00 Baden und Massage; 18:00–19:00 Abendessen; 19:00–21:00 Kartenspiel mit Moriarty und seiner Frau Eleanor oder Besuch von Oliver Twist; dem Shakespeare-Querschnitt; Mose in New York; The Bells oder dem Gedichtabend .
    Seit ihr Mann vollauf mit Billy Joes Training beschäftigt war, kümmerte sich Eleanor um das »Theater des Westens«. Neben den geschäftlichen Dingen, die schon immer in ihrer Hand gelegen hatten, musste sie sich nun auch noch mit den praktischen Dingen herumschlagen, mit Aufräumen, Theaterplakaten, kaputten Sitzen. Mandy Boone erwies sich als eine große Stütze, und ihr Vater, der nur zu gut wusste, dass sie sein direktester Draht zu Billy Joe Speed war, ließ sie wohlwollend gewähren.
    Allerdings konnte Obadiah Boone seiner Tochter trotz hartnäckiger Fragerei kaum etwas Brauchbares entlocken; sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die Grundregeln des Theaterlebens in sich aufzusaugen. Da Moriarty den Spielplan wegen der Vorbereitungen auf den Wettlauf zusammengestrichen hatte, nutzte Eleanor die Gelegenheit, um die Kulissen zu reparieren und Kostüme auszubessern, und band Mandy in diese profanen, aber wichtigen Aufgaben ein. Immerhin bekam der Marshal heraus, dass Billy Joe in seinen ersten zwei Trainingswochen zehn Pfund abgespeckt hatte, vor allem in Lung Chows Schwitzkasten. Das zumindest hatte der Texaner einmal bei einem Mittagessen fallenlassen, bei dem auch Mandy zugegen gewesen war. Für Boone und seinen Kumpel Medina war das keine sonderlich brauchbare Information, aber besser als nichts.
    Bei Billy Joes Auftritt in Julius Cäsar konnten sich Boone und alle Sportsfreunde von Canyon City allerdings ein anschauliches Bild davon machen, in welcher Verfassung der Herausforderer nach zweiwöchigem Training war. Die Toga, in die Billy Joe als Casca in Moriartys halbstündiger Version von Shakespeares Drama gewandet war, erlaubten Boone und seinen Kumpels einen deutlichenBlick auf das, was sie sehen wollten – seine Beine. Sie sahen gut aus, da war man sich einig: pralle Waden und kräftige, muskulöse Schenkel. Der Moment währte nur kurz, denn beim Anblick der Dolche und des Blutes in der Ermordungsszene floh ein Navajo panisch aus der Sägemühle und schrie, die Bleichgesichter brächten sich gegenseitig um. Im allgemeinen Durcheinander fingen ein paar andere Indianer an zu randalieren, woraufhin mehrere Ladys in Ohnmacht fielen. Als die Ruhe endlich wieder hergestellt war, beschloss Moriarty, es mit Julius Cäsar auf sich bewenden zu lassen und zum leichter verdaulichen Mose in New York überzugehen. Boone war dennoch auf seine Kosten gekommen; vierzig Zentimeter Wadenumfang und sechzig Zentimeter Oberschenkelumfang – das war die allgemeine Schätzung, und die Quoten gegen den Texaner fielen.
    Mandy Boone, die hinter den Kulissen auf ihren Auftritt als Porzia wartete, sah Billy Joes Beine in einem ganz anderen Licht, und viele der Zuschauerinnen ebenfalls:

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