Finish - Roman
Galopp. Kurz darauf erschien Mandy Boone auf einem schweißnassen, schaumbedeckten Schecken. Moriarty und Eleanor waren erfreut, wenn auch nicht sonderlich überrascht, sie zu sehen, schließlich war ihnen schon seit Wochen klar, dass Mandy nicht fürs Lehrerinnendasein in Canyon City geschaffen war. Ohne auf Buck zu achten, setzte sie sich mit einer Tasse heißem Kaffee ans Feuer, und ihre schauspielerischen Ziele und Wünsche sprudelten nur so aus ihr heraus. Eleanor warf ein, Moriartys »Theater des Westens« sei nicht das »Niblo’s« in New York, und ihr Verschwinden wäre für ihren Vater gewiss ein schwerer Schlag, einkaum verzeihlicher Betrug. Doch Mandy Boone ließ sich nicht beirren. Sie sei 21 und alt genug, selbst zu entscheiden, und sie wolle unbedingt mit ihnen gehen, egal, zu welchen Bedingungen. Moriarty warf Eleanor über das Feuer hinweg einen Blick zu, und ihr Nicken genügte. Die Truppe hatte ein neues Mitglied.
Der letzte Besucher tauchte eine halbe Stunde später auf, und das Trappeln der Hufe hallte weit durch die lautlose Nacht. Der Reiter hielt und sprang ab. Mit energischen Schritten trat er ins Licht des Lagerfeuers und rieb sich dabei die Hände.
»’n Abend, Leute. Was gibt’s zu futtern?«
Moriarty stand auf und zog ein dickes Geldbündel aus der hinteren Hosentasche. »15 000 Dollar, Billy Joe.«
4
MORIARTYS WERDEGANG
Die dunklen, verschlungenen Pfade des Laufens waren Moriarty zutiefst vertraut; durch seinen Vater Alan Cameron aus Sutherland, Schottland, war er buchstäblich in den Sport hineingeboren worden.
Man schrieb das Jahr 1848, Moriarty – er hieß »Douglas«, nach seinem Großvater – war acht, als der Hunger seine Heimatstadt befiel. Der Bevölkerung, ohnehin bereits gebeutelt durch die rücksichtslosen Rodungen, mit denen die Countess of Sutherland Weideland für die Schafzucht gewinnen wollte, blieb kaum mehr als der Kartoffelanbau. Doch dieses Jahr war die Ernte von Knollenfäule befallen worden, und den Kleinbauern blieb nichts als giftiger schwarzer Schleim.
In dem ersten harten Winter nach der Missernte war Douglas’ Mutter Morag an Tuberkulose gestorben, und sein Vater hatte zwei Tage und Nächte auf die hartgefrorene Friedhofserde eingehackt, um ihr ein anständiges Begräbnis zu geben. In jener Märznacht 1848 hatten er und sein Vater beim schwachen Schein einer Kerze in der eiskalten Hütte am Torffeuer gekauert.
»Wir haben hier nichts mehr verloren, mein Sohn«, hatte sein Vater zu ihm gesagt wie zu einem Erwachsenen. »Wir hauen ab. Nichts wie weg hier.« Er machte eine Pause. »Wenn ich wieder zu Kräften gekommen bin.«
Am nächsten Morgen hatten sie ihr letztes Tier, eine uralte Kuh, geschlachtet und die folgenden zwei Tage damit zugebracht, den zadderigen Tierkörper zu zerlegen und das Fleisch einzupökeln. Acht Wochen lang lebten die beiden Camerons von nichts anderem als Pökelfleisch undHaferbrei, bis der Schnee über den kargen Mooren Glencalvies endlich zu schmelzen begann. Und jeden Tag von zehn Uhr morgens bis mittags ließ ihn sein Vater für zwei Stunden allein und kehrte jedes Mal rot, keuchend und verschwitzt zurück.
Am 28. Juni hatten sie ihre Habseligkeiten zusammengepackt. Es hatte nicht lang gedauert, und auf dem Weg durch die Schlucht hinauf zur Kirche von Glencalvie hatte keiner der beiden sich auch nur einmal umgesehen. In der Kirche hatte Alan dem Pfarrer aufgetragen, sämtliche Möbel und das restliche Pökelfleisch unter den Bauern zu verteilen. Nach einem kurzen Augenblick am Grab seiner Frau waren Alan Cameron und sein Sohn Hand in Hand gen Süden aufgebrochen.
Die einwöchige Wanderung sollte Moriarty stets glasklar im Gedächtnis bleiben. Zum Glück hatte das Wetter mitgespielt, und Vater und Sohn hatten täglich 15 bis 20 Meilen durch die von der warmen Sommersonne gezähmten Gebirgszüge Sutherlands zurückgelegt. Obwohl der achtjährige Douglas bequemes, handgemachtes Schuhwerk trug, konnten seine jungen Beine die vielen Meilen kaum bewältigen. Doch der Junge war zu stolz, um sich tragen zu lassen, und schleppte sich weiter, ohne zu wissen, wie lang die nächste, quälende Etappe sein würde.
Nachts schlüpften sie unter einem Felsvorsprung oder einem Baum unter, und sein Vater baute ihnen ein Schlaflager aus Heidekraut. Eingehüllt in ihre Wolldecken, schliefen sie dann bis zum nächsten Morgen, und Alan Cameron hielt seinen kleinen Jungen fest in den Armen.
Später wurde Moriarty klar, dass diese wenigen
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