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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Es gibt nur eine Art zu starten, Sir. Und das ist der Sheffield-Start. Aufrecht stehend, wie ein Mensch, nicht auf allen vieren wie ein Coyote.«
    Störrisch schüttelte Billy Joe den Kopf. »Ich bin mit beiden Füßen hinter der Linie«, sagte er. »Genau wie es die Regeln fordern, Sir.«
    »Das stimmt, Herr Richter«, schaltete sich Moriarty vom Balkon darüber ein; mochte kommen, was wollte, er war auf Billy Joes Seite. »In den Regeln steht nichts darüber, dass man stehen muss. Ich hab sie hier. Die Sheffield-Regeln.«
    Er warf Beauregarde ein kleines braunes Büchlein hinunter, der es überraschend geschickt mit der Rechten auffing.
    Der Mayor blätterte es aufmerksam durch, schüttelte den Kopf und sah Billy Joe an.
    »Ich muss zugeben, Sie haben recht, junger Mann. In den Sheffield-Regeln steht nichts davon, dass man nicht auf allen vieren starten kann, wenn man möchte. Aber ich warne Sie, Sir, sehen Sie sich vor.«
    Er machte eine Pause und nahm wieder Haltung ein. »Meine Herren, auf die Plätze.«
    Die Läufer kehrten auf ihre Positionen zurück, und der Indianer brummelte etwas auf Walisisch in sich hinein, ob ein Fluch oder ein Stoßgebet, war nicht auszumachen.
    Mit dem linken Fuß kratzte Billy Joe eine flache Kerbe in den Sand. Er stemmte seine Fußspitze in das Loch, beugte das rechte Knie und stellte es neben seinem linken Fuß auf den Boden. Vorsichtig und präzise setzte er die Hände in den braunen Staub, als spielte er Klavier. Einen Moment lang sah ihm der Indianer gebannt zu, dann riss er sich los und richtete seinen Blick auf die Bahn.
    »Fertig.«
    Beim Ziel huschte ein Kind über die Bahn, womöglich, um besser sehen zu können. Auf der Main Street war es still wie in einer Kathedrale, und nur das Flattern der Fahnenüber dem Start war zu hören. Langsam hob Billy Joe die Hüften.
    Der Schuss krachte durch die Stille, die Läufer schnellten los, und Billy Joe, der gestartet war, als hätte ihm jemand einen rotglühenden Schürhaken in den Hintern gerammt, ging sofort in Führung.
    Für Moriarty, der vom Balkon aus zusah, war es eine Offenbarung. Nach 20 Metern lag Billy Joe einen knappen Meter vor dem Indianer. Er lief in voller Fahrt, als wäre er irgendwo zehn Meter hinter der Startlinie losgelaufen. Dann drehte er auf, mit langen, fliegenden Schritten, die selbst den Indianer träge aussehen ließen. Nach 50 Metern waren nur noch Billy Joe und der Indianer übrig, die anderen waren weit abgeschlagen.
    Auch bei 60 Metern hielt Billy Joe den Meter Vorsprung und schoss durch den Jubel der Menge. Hätte es keine Vergleichsmöglichkeit gegeben, man hätte ihm die Schnelligkeit nicht angesehen, so mühelos und entspannt glitt er dahin. Er lief, als folgte er einzig einem inneren, steten Rhythmus und hätte das Rennen und alles, was es bedeutete, vergessen. Er ist wunderbar, dachte Moriarty; Sieg hin oder her, er ist einfach wunderbar.
    Doch der Indianer war noch nicht fertig. Nach 70 Metern hatte er sich 30 Zentimeter zurückerobert, und nach 90 Metern weitere 30. Bei 100 Metern war er fast gleichauf – Billy Joe konnte ihn förmlich spüren. Doch der Texaner ließ nicht locker, und als sie das Zielband berührten wie ein Mann, standen die Stoppuhren auf 14,4 Sekunden.
    Buck, der direkt an der Ziellinie gestanden hatte, wusste, dass es verdammt knapp war und zwischen ihnen höchstens 15 Zentimeter lagen, doch sein Gefühl sagte ihm, dass Billy Joe das Rennen gemacht hatte. Während die Zuschauer sich um die Läufer scharten, verkündete der vorsitzende Preisrichter Sheriff Kennedy vom Balkon des Excelsior aus, die Richter würden sich nun zurückziehen, um über das Ergebnis zu beraten.
    Während des Wartens wagten Buck und Moriarty nicht, sich Billy Joe zu nähern. Das Ergebnis war zweitrangig, denn zum ersten Mal hatte Billy Joe alles zu einer herrlich harmonischen Einheit verschmelzen lassen: den Start, den Lauf und das Ziel.
    20 Minuten später tauchte der dicke, weißhaarige Beauregarde in Cut und Zylinder wieder auf dem Balkon auf und blickte auf die 2000 gespannten Zuschauer hinunter.
    »Die Entscheidung ist nicht einstimmig«, sagte er.
    Buhrufe und Pfiffe wurden laut. »Der Gewinner laut Mehrheitsentscheidung ist Dai Nythbran mit einer Zeit von 14,4 Sekunden.«
    Zusammengesunken hockte Billy Joe Speed im dunklen, leeren Theater auf einer Bank. Es war fast acht Uhr abends, und nach allem, was man wusste, hatte er sich gleich nach dem Rennen eine Flasche Fusel geschnappt und war

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