Finish - Roman
besten Läufer auf ihrer Ranch vorweisen konnten. Schon auf den ersten 20 Metern wurden sie von den harten Kerlen aus Los Angeles oder San Francisco von der Bahn gefegt, und so gesehen hätten sie die 100 Dollar Startgeld auch gleich in die nächste Latrine werfen können.
Moriarty fand heraus, dass er zu einer stolzen Quote von drei zu eins auf Billy Joe wetten konnte, und so platzierten er und Buck die ganze Woche über heimlich Wetten in der ganzen Stadt, bis sie mehr als 5000 Dollar auf Billy Joe gesetzt hatten. Unterdessen hielt der Texaner sich bedeckt, versteckte seine Spikes in der hintersten Kommodenschublade und ging während seiner häufigen Besuche in der Bar des Excelsior jeder Unterhaltung über Läufer und Laufsport aus dem Weg. Tatsächlich trank Billy Joe so gut wie nie, er hasste Alkohol, doch um die Quoten hochzuhalten, hielt Moriarty es für unerlässlich, dass Billy Joe als Säufer auftrat. Und so nahm Billy Joe jeden Abend eine FlascheFusel mit auf sein Zimmer und goss ihren Inhalt in eine Topfpflanze, die wundersamerweise noch drei Tage überlebte, ehe sie einging.
Dalla Barba traf am Donnerstag ein, Baird am Tag darauf, und sofort wurde Buck losgeschickt, die beiden unter die Lupe zu nehmen. Der Italiener war klein für einen Sprinter, gerade einmal 1,70 Meter groß, doch selbst in seiner Straßenkleidung waren seine kräftigen Schenkel und muskulösen Hinterbacken nicht zu übersehen, was bedeutete, dass er auf den ersten 50 Metern womöglich ein hohes Tempo vorlegen konnte. Baird hingegen war ein großer, kantiger Schotte, ein rothaariger Riese mit winzigem Kinnbart. Es war offenkundig, dass er sich in der Welt des Profilaufens bestens auskannte. Moriarty hatte ihn eines Abends nach dem Othello belauscht.
Es stellte sich heraus, dass Baird 1873 am renommierten Handicap-Sprint von Sheffield teilgenommen und hauchdünn gewonnen hatte. 1874 holte ihn ein schottischer Spieler namens Fraser nach San Francisco und ließ ihn über 200 Meter gegen einen Lokalmatador antreten, den Franzosen Charles Le Ventre. Doch Baird hatte sich in der letzten Trainingswoche einen Muskel gezerrt, kam fünf Meter hinter Le Ventre ins Ziel und wurde von Fraser fallengelassen. Seitdem hatte er an allen möglichen Vorgabeläufen in Los Angeles und San Francisco teilgenommen, jedoch einen weiten Bogen um Dalla Barba gemacht, der bei kurzen Sprints angeblich eine echte Granate war. Doch Baird war in Sheffield dabei gewesen, was bedeutete, dass er ein verdammt erfahrener Läufer war.
Am Freitagabend hatte sich Moriarty bereits ein klares Bild vom Feld gemacht. Dalla Barba könnte beim Start Probleme bereiten, der langbeinige Baird hingegen würde über die volle Distanz dranbleiben und aufs Tempo drücken. Die anderen waren alles Unbekannte, darunter Lokalsportler wie Wallace, der in jüngster Zeit sämtliche Gegner geschlagen hatte, doch Moriarty ging nicht davon aus, dass er wenigerals vier Zehntelsekunden über der Sollzeit schaffte. Und so glaubte Moriarty am Vorabend des Rennens, alles unter Kontrolle zu haben. Voller Zuversicht schwärzte er sich das Gesicht für Othello , denn vielleicht schon morgen Abend würde sein Mohr um 15 000 Dollar reicher sein.
Kaum hatte Buck den Mann, den sie den Indianer nannten, beim Einchecken im Excelsior trotz des Bartes erkannt, rannte er jeglicher Sollzeit spottend hinüber ins Sawmill Theatre, wo Moriarty gerade Eleanor nach allen Regeln der Kunst erwürgt hatte.
Moriarty war kein bisschen überrascht, dass der Indianer einen Bart trug. Als Buck ihn zurechtwies, Indianern wachse kein Bart, erklärte Moriarty, dass der Indianer gar kein Indianer sei.
»Er ist Waliser«, sagte er, den Blick ungerührt in seinen Garderobenspiegel gerichtet. »Heißt Nythbran.«
»Waliser?«
»Genau«, sagte Moriarty und schmierte sich Fettcreme ins Gesicht. »Behauptet, sein Urgroßvater sei der große Guto Nythbran gewesen. Vor rund 100 Jahren ist der gegen einen Soldaten namens Prince zwölf Meilen die Stunde gelaufen – das war siebzehnhundertirgendwas. Dann kippte er um und war tot.«
Buck pfiff durch die Zähne. »Zwölf Meilen die Stunde. Alles klar. Aber wieso wird er ›der Indianer‹ genannt?«
»Sein Vater«, hob Moriarty an, wischte sich das Gesicht mit einem Lappen ab und musterte sich im Spiegel. »Der hat ’ne Menge Zeit im Land der Schwarzfußindianer verbracht. Sie nannten ihn ›den walisischen Indianer‹. Daraufhin hatte sein Sohn den Namen ›der junge
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