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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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blindlings den exakten Moment benennen, der seinem Leben die grundlegende Wendung gegeben hatte: der 7. Juni 1873, der Tag des Doughnut.
    Es war der erste Viehtrieb, den der achtzehnjährige Billy Joe für den Viehzuchtverband Circle X mitmachte; die ersten drei Wochen war er am Schluss der Herde geritten und hatte den Staub von 700 Rindern geschluckt, die von San Antonio nach Norden zur Union Pacific in Ogallala, Nebraska, gebracht werden sollten.
    Sie lagen gut in der Zeit, denn der Trail-Boss Cal Frenn, ein sehniger, 1,95 großer Texaner von 36 Jahren, hatte eine erstklassige Remuda, und sein Vieh, texanische Langhornrinder, war nicht kleinzukriegen und brachte es auf 15 Meilen oder mehr pro Tag. Billy Joe hatte sich einen prächtigen, fast 1,60 Meter hohen Fuchs mit rundem Bauch und kräftigen Hinterbacken ausgesucht, auf dem sich die langen Etappen besser ertragen ließen.
    Bis zum Red River war alles glatt gelaufen. Nur 17 Rinder hatte man verloren: Zehn waren an einen »freundlich gesinnten« Kiowa-Häuptling gegangen, dessen Krieger sich so oder so zehn Tiere geschnappt hätten. Fünf gingen an einen Apachen-Häuptling, der sie als Zoll für die Durchquerung von Land forderte, das ihm gar nicht gehörte, und zwei waren bei Flussdurchquerungen draufgegangen.
    Für die Jahreszeit hatten die Flüsse ungewöhnlich viel Wasser geführt, doch der Red River kurz hinter Doan’s Store war eine Sache für sich. Er war über 100 Meter breit, ein bis zwei Meter tief und hatte tückische Strudel. Dazukam das Flussbett aus Treibsand, der eine ganze Satteldecke verschlucken konnte, und so sah sich Cal Frenn gezwungen, ein paar Meilen weiter nördlich und südlich nach geeigneteren Überwegen Ausschau zu halten.
    Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ein paar Tage abzuwarten und zu hoffen, dass der Wasserstand fiele. Doch schließlich entschied Frenn, die Durchquerung zu wagen. Seine Devise war simpel: »Kein Rind darf auch nur einen Schritt vom Weg abweichen.« Und getreu dieser Devise schickte er die besten Schwimmer unter den Pferden voran, um die Herde zu führen.
    Doch von vornherein lief alles schief. Die beiden Treiber Ben Tate und Bobby Rice wurden abgeworfen, und Billy Joe musste sich von der Herde entfernen, um die beiden Männer zu retten und ihre Pferde aus dem Treibsand zu ziehen. Dann lösten sich mehrere Wagen, die man auf Flößen vertäut hatte, und beim Versuch, sie wieder festzubinden, hatte sich Frenn das Knie an einem Wagenrad aufgerissen.
    Sie brauchten sechs Stunden für die Durchquerung, die eigentlich nur zwei hätte dauern sollen, und verloren drei Pferde und 25 Langhornrinder. Und so fand sich an jenem Abend am Nordufer des Red River ein durchnässter, lädierter, abgerissener Haufen Cowboys zum Abendessen ein.
    Frenn war ein guter Menschenführer. Er trug Stumpy, dem Koch, auf, einen Mordseintopf zusammenzukochen, und in null Komma nichts schwelgten die Männer von Circle X im Duft eines blubbernden, braunen Haschees aus Leber, Bries und den besten Stücken eines Langhornrinds, das am Morgen im Fluss ertrunken war. Stumpy hatte schon immer behauptet, er verwendete alles »bis auf das Muhen und das Fell«, und nach ein paar Kellen Mordseintopf sah die Welt schon wieder ein wenig freundlicher aus.
    Eine halbe Stunde und zwei Stück Apfelkuchen später, die man mit zahllosen Tassen Arbuckle’s-Kaffee heruntergespülthatte, hätten manche der Jungs es mit dem Mississippi aufgenommen, vom Red River ganz zu schweigen.
    Dennoch hatte sich das Wagnis der Durchquerung nicht ausgezahlt, und Frenn beschloss, keine weiteren Einbußen zu riskieren. Er selbst war verletzt, das Vieh und die Pferde am Ende ihrer Kräfte, und von den Cowboys fühlte sich kaum einer danach, gleich wieder 15 staubige Tagesmeilen herunterzureißen. Also beschloss er zweierlei: Zum einen eine zweitägige Rast, und zum zweiten sollte Stumpy sein Glanzstück zubereiten – heiße Doughnuts.
    Stumpy Woods Köstlichkeit war in Texas fast so sagenumwoben wie Jim Bowie, Davy Crockett und all die anderen heldenhaften Verteidiger des Alamo. Angeblich hatte manch einer schon Viehtrieb, Poker, Heim und Herd für Stumpys Konfekt sausen lassen. Doch war seine luftig-leichte Kreation beileibe nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, und sowenig Michelangelo sich vom Gartenzaunstreichen sogleich an die Decke der Sixtinischen Kapelle gemacht hätte, so fern lag es Stumpy, seine heiligen Doughnuts während einer schnöden 15-Meilen-Tagesetappe

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