Finish - Roman
der Darmentleerung, die den Körper von Ballast befreite, über die Notwendigkeit einer demMuskelaufbau dienenden fleischhaltigen Diät bis hin zum Nutzen regelmäßiger Massagen. Doch am meisten wurde Billy Joes Laufbegeisterung durch eine alte englische Zeitung entfacht, die seinem Vater in Austin in die Hände gefallen war.
Das Blatt Bell’s Life of London vom 2. März 1871 war vergilbt und zerfleddert, aber immer noch lesbar. Die erste Seite war uninteressant und bot nichts als vermischte Kleinanzeigen, in denen Deckhengste und verlorene Gegenstände annonciert oder Renntermine verkündet wurden. Auf der zweiten Seite standen Theaterkritiken, Neuigkeiten vom Marinenachrichtendienst, Gerichtsmeldungen und Rennberichte. Das war alles zweifellos spannend, vermittelte es doch eine Ahnung von einer vornehmen und kultivierten Welt, die dem Leben auf einer texanischen Ranch nicht ferner hätte sein können, doch die Seite, die Billy Joe eigentlich in ihren Bann schlug, war die übers Laufen, vier lange Spalten voller Neuigkeiten vom englischen Laufsport. Zuerst kamen die Herausforderer: »Nachdem Higgins aus Barnsley gegen unangefochtene Weltmeister wie Figg aus Bolton, Smith aus Norwich und Batten aus London gesiegt hat, ist er nun selbst auf den Titel aus und fordert jeden Willigen heraus, über eine beliebige Distanz zwischen einer Achtel- und einer Viertelmeile gegen ihn anzutreten«; »Carr aus Preston, dem die Begegnungen mit Clowrey aus Glasgow und Sherdon aus Newmarket keine Befriedigung verschaffen konnten, ist bereit, jedwedem Bürger des Königreiches eine Vorgabe von zehn Yards auf eine Meile zu gewähren«; und ähnliches mehr.
Die Seite war voll mit solchem Zeug und mit Berichten von Wettläufen und »Läufer-Volksfesten«. Billy Joe begriff, dass die Welt des Laufsports eine ernste Sache war und dass er, wollte er als Läufer erfolgreich sein, mental und körperlich ein echter Profi werden musste. Er war schnell, das stand außer Zweifel. Doch ging es nicht immerdarum, für ein paar 100 Mäuse ein paar Bauerntrottel plattzumachen. Irgendwann in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft würde er vielleicht gegen andere Schnelle Männer antreten, womöglich gegen die schnellsten der Nation. Und um die zu schlagen, brauchte es mehr als nur Talent.
Und so machte er sich jeden Tag nach getaner Arbeit auf der Ranch daran, seine Läuferoffensive im Frühjahr vorzubreiten. Von wiederholten 100-Meter-Sprints entlang der Viehweide abgesehen, hatte er allerdings keine Ahnung, wie er sein Vorhaben umsetzen sollte.
An einem Novemberabend des Jahres 1873 saßen Billy Joe und sein Vater beim flackernden Kerzenschein in der Stube, der Wind pfiff um die Ranch, und Maria Clark saß am Feuer und stopfte Socken. Adam hatte einen guten analytischen Verstand. Das Wichtigste bei jedem Wettlauf sei ein schneller Start, meinte er. Deshalb würden sie mindestens zweimal die Woche über eine Strecke von 20 Metern das Starten mit der Pistole üben, um Billy Joe zu trimmen. Außerdem musste man Ausdauer haben, »Biss«, wie die Kelten sagten. Es erschien also naheliegend, über die weitesten Sprintdistanzen zu üben, möglichst bis über 200 Meter. Adam Clark erinnerte sich auch, dass die Läufer in seiner Jugend Bauchmuskeln wie Waschbretter gehabt hatten. Es galt also, den Bauch mit entsprechenden Übungen zu stärken. Überdies leuchtete es ein, dass man ohne Fett am besten lief, genau wie ein Rennpferd: »Muskeln sind Treibstoff, Fett ist Ballast«, war Adams Meinung. Sie beschlossen, Billy Joes geschätzte 68 Kilo »Kampfgewicht« regelmäßig zu überprüfen. Ein bisschen mehr Gewicht im Winter war unerheblich und nur natürlich, solange es bis zum Wiedersehen mit O’Grady im Frühling wieder bei 68 Kilo lag.
Zum Abschluss eines jeden Trainingstages verwendeten die beiden Männer eine halbe Stunde auf ihre Lieblingsübung, das Revolverschießen. Während seiner Tage bei Brannans Bürgerwehr in San Francisco hatte Adam Clarkgelernt, wie wichtig die Geschicklichkeit mit der Waffe war. Er selbst war zwar nicht schnell, traf aber auf 20 Meter jede Fliege. Billy Joe hingegen war geradezu besessen vom schnellen Ziehen, und nur mit Mühe konnte sein Vater ihn davon überzeugen, dass Schnelligkeit ohne Präzision nutzlos war. Billy Joe war ein aufgeweckter Schüler, der sich jeder neuen physischen Herausforderung begeistert stellte. Im Frühjahr 1874 war aus ihm ein waschechter Schneller Mann geworden.
Dann traf ein Brief von
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