Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
kaufen können, wenn der Hunger ihn zu sehr zwickte. Jetzt aber würde er zuerst einmal die vielen anderen Schaufenster bewundern, hier und da mal eine Kutsche, welche Milch auslieferte oder Waren zum Markt brachte. Und die Autos natürlich! Finn starrte mit großen Augen die glänzenden Gefährte an und stellte mit einiger Befriedigung fest, dass keines der Autos so schön war, so glänzte und funkelte, wie das seiner Eltern.
Finn bemühte sich sehr, sich den Weg zu merken, aber nachdem er mehrere Male abgebogen war, war er sich nicht mehr so ganz sicher, wo er war. Lieber ging er die Straße wieder zurück, um dann rechts abzubiegen, aber zu seiner Überraschung stand er plötzlich vor einem Schaufenster, welches er zuvor nicht bemerkt hatte und vor dem sich gleich eine ganze Traube Kinder versammelt hatte.
Neugierig trat Finn zu den Kindern, um zu sehen, was wohl so verlockend war. Und tatsächlich, das Schaufenster war dekoriert mit Zuckerwaren. Im Hintergrund des Geschäftes konnte man im Halbdunkel den Ladenbesitzer erkennen, welcher gerade aus einem großen, bauchigen Glas Bonbons für ein kleines Mädchen an der Hand einer vornehmen Dame abfüllte. Ein neidisches Raunen ging durch die Menge der Kinder, als die Kleine unbekümmert mal auf dieses, mal auf jenes Glas zeigte, während der Ladenbesitzer die spitze, braune Papiertüte füllte.
Schließlich schien das Mädchen zufrieden zu sein. Die vornehme Dame bezahlte, und dann verließen die beiden das Geschäft.
Hatte es eben noch lebhaftes Getuschel unter den Kindern gegeben, so war es jetzt totenstill. Die Kleine, im vollen Bewusstsein ihrer Wichtigkeit, hob die Nase und tat, als sähe sie die anderen Kinder nicht.
„Morgen will ich aber noch mehr von den roten Bonbons“, erklärte sie hochnäsig.
Die Kinder sahen ihr schweigend nach. Erst, als sie um die Ecke verschwunden war, setzte wütendes Gemurmel ein.
Finn hatte einen Moment lang überlegt, wie es wohl wäre, wenn er mit seinem Geldstück in den Laden ginge, sich Bonbons kaufte und von allen Kindern angestaunt wurde. Jetzt aber erschien ihm diese Vorstellung nicht mehr so erstrebenswert.
Er drehte sich um und wollte sich davonstehlen, als ihn eines der Kinder am Arm fasste. Es war ein Mädchen, vielleicht so alt wie er, mit langen, roten Haaren und Sommersprossen. Sie war klein, mager und hatte ein ziemlich dreckiges Kleid an. Das Mädchen trug alte, kaputte Schuhe, wie er – zweifellos kein Kind, das sich jemals die Süßigkeiten aus dem Laden kaufen konnte.
„Was tust du denn hier?“, fragte ihn das Mädchen unübersehbar verblüfft.
„Du solltest doch zum Bäcker gehen!“
Finn starrte das Mädchen sprachlos an. Woher wusste sie das? Lebte sie in dem Gasthaus und hatte Heinz zufällig gehört? Oder hatten Heinz und Lydia ihm das Mädchen als Spion hinterher geschickt, damit er das Geld nicht für das Falsche ausgab?
„Ach, egal“, sagte das Mädchen verdrießlich, wandte sich um und verschwand. Finn blickte ihr fassungslos hinterher. Dann schüttelte er den Kopf und drehte sich um, um zu versuchen, den Weg zurück zum Gasthaus zu finden.
Fast eine Stunde lief er durch die Gassen, bemühte sich, sich zu orientieren und sah doch nichts, das ihm bekannt vorgekommen wäre. Ein paar mal war er versucht, einen der herumstehenden Polizisten zu fragen, aber da er sich den Namen der Straße nicht gemerkt hatte, in der das Gasthaus stand, war er nicht sicher, wie ihm ein Polizist helfen sollte.
Schließlich bog er in eine Straße ein, die er wieder zu erkennen glaubte, und tatsächlich, zwei Straßen weiter fand er die Bäckerei.
Misstrauisch sah er sich um, ob das kleine rothaarige Mädchen irgendwo stand und ihn beobachtete, aber es schien nicht da zu sein.
Er entschloss sich, obwohl sein Magen inzwischen knurrte, das Geldstück zu behalten. Ob es wohl in Ordnung war, wenn er jetzt schon wieder ins das Gasthaus zurück ging? Es dämmerte noch nicht, vielleicht wollten seine neuen Eltern ihn noch gar nicht wieder sehen? Andererseits hatte Lydia gesagt, er solle spätestens bei Einbruch der Dunkelheit zurück sein. Das musste doch wohl bedeuten, dass früher auch in Ordnung wäre.
Langsam ging er auf das Gasthaus zu und öffnete die Tür. Der dicke Wirt winkte ihm kurz zu, einen Lappen in der Hand, mit dem er irgendetwas poliert hatte. Finn winkte zurück und stieg dann die Treppe hoch.
Im oberen Stockwerk zögerte er. Er musste wohl anklopfen. Ob sich die beiden freuen würden,
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